Der Wald der Könige
als ob ihr noch etwas eingefallen wäre, und sie musterte Adela. »Die ganze Grafschaft weiß, dass Ihr einen Ehemann sucht«, meinte sie zuckersüß. »Aber ich glaube nicht, dass Ihr dabei viel Glück haben werdet. Woran das nur liegen mag?«
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Zuerst hatte sie sich von dieser Frau demütigen lassen müssen, dann hatte sie sie beim Ehebruch ertappt, und nun wurde sie auch noch beleidigt. »Wenn ich einmal heirate«, erwiderte Adela mit einer Ruhe, auf die sie sehr stolz war, »werde ich meinen Mann ehren. Und ich werde ihm ein Kind schenken.« Es war ihr gleichgültig, wie sehr sie Lady Maud mit dieser vernichtenden Bemerkung gekränkt haben mochte. Abwartend sah sie ihre Widersacherin an.
Aber zu ihrem Erstaunen verzog Lady Maud ihre roten Lippen nur zu einem gekünstelten Lächeln und warf Walter einen triumphierenden Blick zu. »Ich fürchte, von Euch wird es bald heißen, dass Ihr Haare auf den Zähnen habt«, entgegnete sie. »Und dass Ihr außerdem ein Klatschweib seid«, fügte sie gedehnt hinzu. Dann stolzierte sie weiter zur Tür, die Walter ihr höflich aufhielt. Adela hatte erwartet, dass er einfach hinter ihr hinausgehen würde, doch stattdessen hielt er die Tür weiter für sie offen. Wie benommen verließ Adela zwischen Lady Maud und Walter das Haus und trat hinaus in die Kälte. Nachdem Walter der Lady in die Kutsche geholfen hatte, schickte er sich an, in den Sattel zu steigen.
Zuvor jedoch winkte er Adela zu sich. »Ich möchte dir noch etwas sagen«, flüsterte er. »Als ich vorgestern bei Hugh de Martell eintraf, hatte er eine erfreuliche Neuigkeit für mich. Lady Maud hat vor kurzem festgestellt, dass sie guter Hoffnung ist.« Er sah sie bedrückt an. »Jetzt hast du dir noch zwei Feinde geschaffen – sie und ihren Gatten, denn ich bin sicher, dass sie ihm gegenüber schlecht von dir reden wird. An deiner Stelle würde ich mich in Acht nehmen.« Er schwang sich aufs Pferd, und sie machten sich auf den Weg.
Gerade war die Kutsche durchs Tor gefahren, als die Witwe – zu spät – auf Adela zueilte.
In jener Nacht gab es Frost. Adela schlief schlecht. Wieder hatte sie sich bis auf die Knochen blamiert. Und sie hatte sich Lady Mauds unversöhnlichen Hass zugezogen und sich vermutlich auch Hugh de Martell zum Feind gemacht. Sicher hatte Walter sie allmählich satt. Sie war allein auf der Welt und hatte keine Freunde. Doch selbst diese quälenden Gedanken hätte sie vergessen können, wäre da nicht etwas gewesen, das sich ihr immer wieder ins Bewusstsein drängte und ihr den Schlaf raubte: Seine Frau würde Martell ein Kind schenken.
Am Morgen kam von Norden her aus den Bergen ein Wind auf und brachte Schnee, der bald die Stadt bedeckte. Adela hatte das Gefühl, dass die Welt auf einmal sehr kalt geworden war.
Für gewöhnlich liebte Edgar den Winter, obwohl er eine harte Jahreszeit war. Das Gras schrumpfte zu kleinen, bleichen Stoppeln. Es gab Frost und Schnee. Die Hirsche ernährten sich hauptsächlich von Stechpalmenzweigen, Efeu und Heidekraut. Wenn das Wetter noch unwirtlicher wurde, knabberten sie sogar die Rinde von den Bäumen. Die kräftigen wilden Ponys, die fast alles fraßen, weideten den stacheligen Ginster ab. Wenn der Januar sich seinem Ende zuneigte, waren viele Tiere abgemagert. Die Ponys streiften nicht mehr so viel umher, um ihre Kräfte zu schonen. Es war die Probezeit der Natur, die manche Tiere des Waldes nicht überleben würden.
Auf einem Ritt durch den Wald hatte Edgar die weißliche Hirschkuh beim Äsen beobachtet, und das hatte ihn wieder einmal an Adela erinnert.
Wie gerne hätte er sie in Winchester besucht, doch sein Vater hatte ihm stets davon abgeraten. »Lass sie in Ruhe. Sie will einen Normannen«, hatte er gesagt. Dann hatte Cola ihm eröffnet, dass Adela bereits einen Heiratsantrag erhalten hatte. Im November hatte er seinem Sohn mitgeteilt, sie verfüge nur über eine geringe Mitgift. Und im Dezember hatte er ihm schonungslos an den Kopf geworfen: »Es hat keinen Sinn, eine Frau zu heiraten, die immer auf dich herabblicken wird, weil du nur ein angelsächsischer Förster bist.« Aber selbst diese Einwände hätten Edgar nicht daran hindern können, nach Winchester zu reiten. Etwas anderes hielt ihn zurück.
Bis jetzt war er noch nicht dahinter gekommen, woher sein Vater wusste, dass etwas im Argen lag. Wurde er von den Männern, deren Bekanntschaft er bei den Jagden des Königs machte,
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