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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Gefährt vorsichtig zu verlassen.
    Es war Lady Maud.
     
     
    Adela eilte zu den beiden hinüber und rief ihnen einen Gruß zu. Sie wandten sich um.
    Walter wirkte ein wenig verdrießlich. Vermutlich lag es daran, dass sie Lady Maud beim Aussteigen störte. Er hatte seine Ankunft in Winchester nicht angekündigt, doch sicher hätte er ihr einen Besuch abgestattet. Sie deutete sein Kopfnicken als Aufforderung, sich zu ihnen zu gesellen, und so folgte sie ihnen in die Residenz, wo ihr Vetter offenbar beim Pförtner und den Dienstboten bekannt war.
    Adela fand, dass Lady Maud ruhig freundlicher sein oder wenigstens ein Zeichen des Erkennens hätte zeigen können. Aber gewiss war sie müde von der Reise. Während Lady Maud sich kurz zurückzog, erklärte Walter ihr den Grund seiner Anwesenheit. Sie seien nur auf der Durchreise. Lady Maud wolle einen Vetter besuchen, der jenseits von Winchester wohne. Und Hugh de Martell habe ihn, Walter, gebeten, seine Gattin zu begleiten. »Danach kehre ich in die Normandie zurück«, sagte Walter. Er lief gereizt auf und ab, was das Gespräch nicht eben erleichterte.
    Kurz darauf erschien Lady Maud wieder, offenbar in besserer Stimmung. Wie immer war sie ein wenig blässlich, doch sie benahm sich höflich, wenn auch ein wenig reserviert. Als Adela sich nach ihrem Befinden erkundigte, erwiderte sie, es gehe ihr gut.
    »Ich hoffe, Euer Gatte ist ebenfalls wohlauf«, zwang sich Adela zu sagen. Sie hoffte, dass es höflich und dennoch beiläufig geklungen hatte.
    »Ja.«
    »Walter erzählte, Ihr wolltet einen Verwandten besuchen.«
    »Ja.« Sie schien zu überlegen. »Richard Fitzwilliam. Vielleicht kennt Ihr ihn.«
    »Nein, obwohl ich natürlich von ihm gehört habe.« Der Name war ihr schon öfter zu Ohren gekommen. Fitzwilliam war dreißig Jahre alt, Besitzer eines der wohlhabendsten Güter der Grafschaft und lebte nur etwa acht Kilometer von Winchester entfernt. Und er war Junggeselle. »Es heißt, er sei ein gut aussehender Mann«, fügte sie höflich hinzu.
    »Ja.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Ihr mit ihm verwandt seid.«
    »Er ist mein Vetter. Wir stehen uns sehr nah.«
    Adela wurde klar, dass während ihres Aufenthalts im Hause von Lady Maud auf dem Weg nach Winchester kein Wort über diese Verwandtschaft gefallen war. Sie fragte sich, ob Lady Maud sie nun einladen würde, sie zu begleiten, um ihn kennen zu lernen.
    Doch sie tat es nicht. Und auch Walter sagte kein Wort.
    Schweigen entstand.
    »Vielleicht wollt Ihr Euch ein wenig ausruhen, bevor wir weiterfahren«, schlug Walter vor.
    »Ja.«
    Er bedachte Adela mit einem leichten Kopfnicken, das Zeichen eines Höflings, dass es Zeit für sie war, sich zu entfernen.
    Adela hatte den Wink wohl verstanden, doch sie hätte sich gefreut, wenn Walter sie zur Tür begleitet hätte. »Werde ich dich bald wieder sehen, Walter?«, fragte sie im Gehen.
    Er nickte, aber auf eine Weise, die ihr klarmachte, dass er sie so rasch wie möglich loswerden wollte. Ehe sie es sich versah, stand sie draußen auf den kalten Straßen von Winchester.
    Da sie keine Lust hatte, sich nach Hause zu begeben, spazierte sie umher. Nach einer Weile trat sie vor das Stadttor hinaus und blickte über das weite Land. Der Himmel war grau. Die kahlen, braunen Wälder auf dem gegenüberliegenden Hügel schienen sie zu verspotten. Ich werde gedemütigt, dachte sie. Auch wenn sie arm war, hatte ihr eigener Vetter nicht das Recht, sie so zu behandeln und sie wie einen Lakai fortzuschicken. Heiße Wut stieg in ihr auf. Zum Teufel mit ihm! Zum Teufel mit ihnen beiden.
    Adela lief vor dem Stadttor auf und ab. Würden sie die Stadt auf diesem Wege verlassen? Vielleicht sollte sie die beiden dann hier ansprechen? Nein. Sie würde sich nur lächerlich machen, wenn sie ihnen in ohnmächtiger Wut auf der Straße auflauerte. Aber der Verlauf der Begegnung mit Walter und Lady Maud hatte sie sehr gekränkt. Etwas sträubte sich in ihr, sich damit abzufinden. So kann man mit mir nicht umspringen, dachte sie. Ich darf mir das nicht bieten lassen. Also beschloss sie, die beiden zur Rede zu stellen und sie dazu zu zwingen, sie mit der gebührenden Höflichkeit zu behandeln. Aber wie? Welchen Vorwand gab es, noch einmal in der Residenz vorzusprechen?
    Da kam ihr plötzlich der zündende Einfall. Natürlich: Ihre Gastgeberin und Walter waren befreundet. Was hätte unverfänglicher sein können, als in Begleitung der alten Dame wiederzukommen, die ihren Freund, der auf der Durchreise war,

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