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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Rufus weigerte sich, einen neuen einzusetzen. Ihr wisst ja sicher, was das bedeutet. Sämtliche Steuern der Diözese Winchester, die sehr wohlhabend ist, werden nun nicht mehr an die Kirche, sondern unmittelbar an den König entrichtet. Und um das Maß der Beleidigungen voll zu machen, hat er seinen besten Freund, einen abgrundtiefen Schurken, zum Bischof von Durham ernannt. Daher hassen die Geistlichen den König. Die meisten würden ihn wohl am liebsten tot sehen.«
    Ein weiteres Thema, über das sie bald mehr erfuhr, hing mit ihrer Heimat zusammen. Wenn die Menschen hörten, dass sie aus der Normandie stammte, merkten sie häufig an, man werde wohl bald wieder unter einem gemeinsamen König leben. Adela wusste, dass Robert, Herzog der Normandie, vor drei Jahren zu einem Kreuzzug aufgebrochen war. Das dazu nötige Geld, eine gewaltige Summe, hatte er sich von seinem Bruder Rufus geliehen und ihm als Sicherheit die Normandie verpfändet. Allerdings war Adela im Gegensatz zum restlichen Winchester nicht darüber im Bilde gewesen, dass Rufus nicht die geringste Absicht hatte, seinen Bruder wohlbehalten in sein Herzogtum zurückkehren zu lassen. »Wenn er nicht auf dem Kreuzzug fällt«, hatte er vergnügt zu seinen Freunden gesagt, »wird er arm sein wie eine Kirchenmaus. Er wird seine Schulden nie zurückzahlen können. Und dann bekomme ich die Normandie und bin ein mächtiger Mann wie mein Vater, der Eroberer.«
    »Wahrscheinlich behält er Recht«, meinte die Witwe zu Adela. »Doch es gibt da noch eine Schwierigkeit. Einige von Roberts Freunden haben vor ein paar Jahren einen Mordanschlag auf Rufus unternommen. Vielleicht versuchen sie es wieder. Man darf zwar nicht vergessen, dass sie alle eine Heidenangst vor Rufus haben, aber man kann nie wissen…«
    »Was ist mit dem dritten Bruder, dem jungen Henry?«, erkundigte sich Adela. »Er hat schließlich überhaupt kein Königreich.«
    »Das ist wahr. Übrigens werdet Ihr ihn vielleicht kennen lernen. Von Zeit zu Zeit kommt er hierher.« Sie überlegte eine Weile, bevor sie fortfuhr: »Ich halte ihn für ziemlich gerissen. Wahrscheinlich will er für keinen seiner Brüder Partei ergreifen, weil er befürchtet, sonst zwischen den Stühlen zu sitzen. Also benimmt er sich unauffällig und macht keine Schwierigkeiten. Vermutlich ist das eine weise Entscheidung. Glaubt Ihr nicht?«
    Wenn in Winchester eine Festivität stattfand – zu Ehren durchreisender Ritter oder Höflinge mit Gefolge, für die der Schatzmeister ein Bankett veranstaltete –, waren die Witwe und ihr Gast stets eingeladen. Innerhalb weniger Wochen war Adela so einer Reihe unverheirateter junger Männer begegnet, die sie – wenn sie auch selbst nicht auf Brautschau waren – vielleicht anderen gegenüber erwähnen würden.
    Und auf einem dieser Feste machte sie die Bekanntschaft von Sir Fulk.
    Sir Fulk war mittleren Alters, aber noch recht ansehnlich. Es bedrückte Adela zu hören, dass er – unter Umständen, über die er sich nicht näher ausließ – vor kurzem seine vierte Frau verloren hatte. Der Adelige besaß Güter in der Normandie und in Hampshire, unweit von Winchester. Außerdem glaubte er, vor vielen Jahren einmal Adelas Vater begegnet zu sein. Adela war machtlos dagegen, dass sie sein Schnurrbärtchen und das runde Gesicht leider ein wenig an Walter erinnerten. Doch sie versuchte, sich davon nicht anfechten zu lassen. Schließlich sprach er so liebevoll von seinen verblichenen Gattinnen.
    »All meine Frauen«, meinte er wohlwollend, »waren sehr reizend und ausgesprochen fügsam. Ich hatte großes Glück. Die zweite«, fügte er aufmunternd hinzu, »sah Euch sehr ähnlich.«
    »Plant Ihr, Euch wieder zu verheiraten, Sir Fulk?«
    »In der Tat.«
    »Und Ihr sucht nicht nach einer reichen Erbin?«
    »Nein, ganz und gar nicht«, versicherte er ihr. »Ich bin bereits wohlhabend genug und nicht sehr ehrgeizig. Und wisst Ihr« – diese Worte sprach er mit einer Aufrichtigkeit aus, die offenbar dazu gedacht war, ihr ans Herz zu gehen – »der Nachteil bei Erbinnen ist, dass sie zumeist viel zu sehr auf ihre eigene Meinung pochen.«
    »Sie brauchen eine starke Hand.«
    »Ganz recht.«
    Beim Verlassen des Festes wurde ihre Gastgeberin kurz aufgehalten. Doch sobald sie Adela eingeholt hatte, verkündete sie: »Ihr habt eine Eroberung gemacht.«
    »Sir Fulk?«
    »Er sagt, Ihr hättet ihn ermutigt.«
    »Er ist der schlimmste Langweiler, der mir je untergekommen ist.«
    »Mag sein, doch er ist

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