Der Wald - ein Nachruf
monotone, gleich alte Bestände. Und nun kommt die in meinen Augen fadenscheinige Argumentation ins Spiel. Ob ein Kahlschlag durch Brand oder durch die Motorsäge hervorgerufen wird, wo bitte ist da der ökologische Unterschied? Ob anschließend die Natur mit Sämlingen wieder einen Wald erschafft oder die Waldarbeiter mit Pflanzen aus der Baumschule, das kann doch keine große Rolle spielen. Also bildet ein Förster mit dem Kahlschlag lediglich natürliche Prozesse nach und erhält so für sein Tun einen Persilschein, denn das alles findet ja auch ohne den Menschen statt, oder?
In den Laubwäldern Mitteleuropas ist die Situation allerdings eine ganz andere. Hier hat es nie periodisch auftretende Waldbrände gegeben und damit keine Kahlflächen. Probieren Sie das ruhig einmal selber aus: Nehmen Sie ein Feuerzeug und versuchen Sie, einen grünen Buchenzweig anzuzünden. Das wird Ihnen nicht gelingen, ganz anders als bei Nadelgehölzen, bei denen ätherische Öle, ihr Frostschutzmittel, dafür sorgen, dass der Zweig Feuer fängt.
Der natürliche Kahlschlag ist demnach kein stichhaltiges Argument, aber wie sieht es mit der Artenvielfalt aus? Wir Menschen als Augentiere schauen eher auf Schmetterlinge und Vögel als auf die im Verborgenen lebenden Hornmilben und bei den Flattertieren tut sich auf Freiflächen im Wald tatsächlich einiges. Die Zahl der Arten steigt und der Grund hierfür ist banal. Im hellen Sonnenschein wachsen Freilandarten, die sich durch reichen Blütenschmuck auszeichnen. Schließlich wollen sie von Insekten besucht werden und müssen dafür ordentlich Werbung machen. Ein wahres Blütenmeer überzieht die baumlosen Flächen und neben Bienen und Hummeln laben sich Tausende Falter an dem Nektarangebot. Ist das ein Fortschritt im Sinn des Naturschutzes? Blütenbesuchende Insekten gibt es in heimischen Laubwäldern praktisch nicht und das hat einen einfachen Grund. Unsere Waldbäume setzen bei der Bestäubung auf den Wind und bieten den kleinen Fliegern daher keine Belohnung für den Blütenbesuch an.
Mit einem Kahlschlag werden die Bodentiere des Buchenurwalds beseitigt und gegen Freilandarten ausgetauscht. Der Anstieg der Artenvielfalt findet also nur im sichtbaren Bereich statt, nach dem Motto »Hornmilben gegen Schmetterlinge«, und das reicht den Verantwortlichen als Argument völlig aus.
Schlussendlich bereiten die Nadelbaumplantagen also eine Fülle von Problemen. Die Bäume fallen leicht um, werden von Borkenkäfern befallen, bieten nur wenigen Tieren einen Lebens raum und verdrängen die ursprünglichen Laubwälder. Auch wirt schaftlich sind sie im Grunde nicht überzeugend. Aber warum wird trotzdem so verbissen an ihnen festgehalten? Die Gründe hierfür liegen zwar im Wald, aber nicht bei den Bäumen, wie Sie nachfolgend sehen werden.
Jagd
Wald und Jagd gehören zusammen wie Pech und Schwefel, zumindest dann, wenn der Mensch im Spiel ist. Denn die großen Säugetiere, die zwischen den Bäumen leben, zählten immer schon zur begehrten Beute, waren Nahrungsbestandteil und später auch Prestigeobjekt. Bevor ich auf die Folgen dieses Treibens eingehe, möchte ich eine einfache Frage stellen: Ist nicht jede Form von Jagd in modernen Zeiten pervers? Oder gilt sie als eine der letzten archaischen Tätigkeiten, die uns einen intensiven Naturkontakt ermöglichen? So einfach, wie die Frage zu stellen ist, fällt die Antwort nicht. Denn bei genauerem Hinsehen sind wir alle mit im Boot, sofern wir keine Veganer sind.
Wer Fleisch essen will, muss töten. In grauer Vorzeit bedienten sich unsere Vorfahren in den Speisekammern der Natur, zum Teil so ungeniert, dass viele Arten ausstarben. Mammut, Wildpferde und Auerochsen, sie alle existieren nur noch als staubige Knochensammlungen in Museen. Die Jagd war nicht nur gefährlich für die Jäger, sie war auch schwer zu kalkulieren. Mit Glück gab es Essen in Hülle und Fülle; lief es jedoch schlecht, so zog der Hunger in die Siedlungen ein. Was lag da näher, als Wildtiere zu zähmen, auf die man jederzeit zugreifen konnte? Über die Jahrtausende entstanden durch Zucht unsere Haustiere, die sich vor allem in einem Punkt von den Wildformen unterschieden – sie hatten ihre Angst vor den Menschen verloren. Wurde Fleisch gebraucht, so war die »Jagd« fortan äußerst simpel. Keine lange Hatz, kein großes Risiko und schnell hing ein dampfender Braten über dem Feuer.
Prinzipiell handhaben wir es heute noch genauso. »Gejagt« wird in den Schlachthöfen
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