Der Wald - ein Nachruf
einfach umkippen oder abbrechen. Die Natur zeigt damit ganz deutlich, dass immergrüne Bäume hier völlig fehl am Platz sind. Doch sind Förster in der Mehrzahl offenbar Ignoranten. In den offiziellen Darstellungen 13 , aber auch im Selbstverständnis ist die Ursache nicht eine falsche Artenwahl, sondern eine unvorhersehbare Naturkatastrophe. Dabei fällt etwa die Hälfte aller gepflanzten Nadelwälder im Lauf ihres Lebens Stürmen oder Borkenkäfern zum Opfer, das Risiko sollte sich also langsam herumgesprochen haben.
Durch die Schuldzuweisung an eine höhere Macht wird man zum unschuldigen Opfer und damit öffnet sich das Füllhorn staatlicher Subventionen. Gewiss, bei der Wiederaufforstung wird mittlerweile Wert darauf gelegt, wenigstens einige Laubbäume zwischen die Nadelhölzer zu pflanzen. Im Sauerland, das vom Sturm Kyrill 2007 besonders heftig getroffen worden ist, kann man sehen, was das in der Praxis bedeutet: Quadratkilometerweise wurde wieder Fichte gepflanzt, mit der man ja so gute Erfahrungen gemacht hat. Und die wenigen Buchen, Eichen oder Ahorne, die als Alibi für eine Mischpflanzung dienen, fressen kurze Zeit später die Rehe und Hirsche ab. In wenigen Jahrzehnten werden die heutigen Aufforstungen wieder zu monotonen Fichtenwäldern, deren Ende in einem zukünftigen Orkan so gut wie feststeht.
Auch in meinem Revier lässt sich dieser forstliche Starrsinn nachverfolgen. Es gibt hier etliche Bestände, die im Lauf der letzten 120 Jahre schon zweimal vom Sturm zerstört worden sind. Jedes Mal pflanzten meine Vorgänger wieder Fichten. Diese Halsstarrigkeit verschärft das Problem immer weiter. Denn Fichten werden in einem Sturm hin- und hergerissen, wodurch ihre Wur zelteller wie ein überdimensionaler Kartoffelstampfer wirken. Allerdings sind es keine Kartoffeln, sondern der empfindliche Boden, den diese Bewegungen verdichten, bis er hart wie Beton wird. Die nächste Fichtengeneration wird nun noch flacher wurzeln, da sie die Stampfschicht nicht mehr durchdringen kann. So kommt es, dass dann bereits 15 Meter Baumhöhe reichen, bis die ersten Exemplare umgeweht werden.
Den Nadelbäumen ist ein ganzes Ökosystem gefolgt, an das wir uns so gewöhnt haben, dass es uns wie heimischer Wald vorkommt. Vögel wie die Fichtenkreuzschnäbel bleiben dem Wanderer meist verborgen, ganz anders sieht es aber mit Insekten aus. Hier heben sich im Wortsinn die Waldameisen hervor. Ihre Hügel, manchmal bis zu zwei Meter hoch und fünf Meter im Durchmesser, sind für manchen Naturschützer Sinnbild intakter Natur. Förster bezeichnen die emsigen Tierchen gern als Waldpolizei, da sie Tierkadaver beseitigen und auch Borkenkäfer fressen. In Fichtenmonokulturen, in denen Buchdrucker und Kupferstecher wüten, bleiben um die Ameisenhaufen grüne Inseln gesunder Bäume zurück. Damit gewinnen sie die Sympathie der Waldbesitzer. Aber wieso auch die der Naturschützer? Denn zur ursprünglichen Natur kann man die Krabbeltiere, von denen bei uns mittlerweile mehrere Arten heimisch geworden sind, nun wirklich nicht zählen. Haben Sie schon einmal einen Waldameisenhügel aus Laubblättern gesehen? Nein? Das wäre auch ein Wunder. Denn der kleinste Windstoß würde das luftige Gebilde hinwegfegen und das empfindliche Innere samt Königin freilegen. In Laubwäldern können sich diese Arten nicht halten, denn ihre Bauwerke lassen sich nur aus Nadeln errichten.
Aus der Taiga haben die Fichten noch etwas anderes mitgebracht, nämlich eine fadenscheinige Argumentation. Im Norden werden die Wälder alle 200 bis 300 Jahre von Waldbränden hinweggefegt. Wissenschaftler zählen diese Art der Walderneuerung zu den natürlichen Prozessen 14 , wobei ich da ein wenig skeptisch bin. Denn Menschen gibt es dort ebenfalls seit Jahrtausenden und wo Jäger und Sammler unterwegs sind, wird auch Feuer gemacht. Da springt in trockenen Sommern schnell mal ein Funke ins dürre Unterholz. Eine Feuerwehr gab es damals noch nicht und die Flammen konnten sich rasch durch ganze Berghänge fressen. Und wenn das alles tatsächlich so ist, wie lassen sich dann mehrere Jahrtausende alte Fichten in Mittelschweden erklären, die offensichtlich nie ein Feuer gesehen haben?
Wie auch immer, natürliche Waldbrände in der Taiga werden in der Forstwissenschaft als Fakt betrachtet. Und einen Brand kann man mit einem Kahlschlag gleichsetzen, schließlich sind so oder so anschließend alle Bäume weg. Die nun einsetzende Wie derbewaldung durch Sämlinge erzeugt
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