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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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haben noch einen Toten gefunden!«
    Der Ort, zu dem die Försterin Judith führt, ist ein modriges, stinkendes Loch, das im tiefen Schatten liegt.
    »Ein alter Bombenkrater«, sagt Diana Westermann, noch immer außer Atem. »Aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Bergische Land ist voll davon. Die Engländer haben hier über den Wäldern immer alles abgeworfen, was sie über Köln nicht losgeworden sind.«
    Ein Bombenkrater. Judith denkt an die beiden Ks, an Spürhunde und Froschmänner. Der Morast auf dem Grund ist von undurchsichtigem Schwarz. Ein perfektes Versteck für Dinge, die man verschwinden lassen will.
    »Nicht alle sind so tief und nicht in allen steht so viel Wasser wie in dem hier. Viele Krater erkennt man gar nicht mehr«, erläutert die Försterin neben ihr. Der Krater, an dem sie stehen, ist jedenfalls deutlich auszumachen. Er hat einen Durchmesser von etwa fünf Metern, bis zur Oberfläche der modderigen Wasseroberfläche sind es von ihrem Standort aus vielleicht zwei Meter. Außer der frisch geschlagenen Schneise im Tal ist kein Fuß- oder Fahrweg in der Nähe. Die Stelle, an der die Försterin das Handy gefunden haben will, liegt einige hundert Meter entfernt. Ohne die Forstarbeiten hätte dieser Krater sein schauriges Geheimnis vermutlich noch lange nicht preisgegeben.
    »Unser Azubi musste mal austreten«, sagt Diana Westermann. »Er fand es wohl lustig, in den Krater zu pinkeln. Dann glaubte er auf einmal eine Hand zu sehen. Also hat er mit einem Ast ein bisschen rumgestochert und dann … das sehen Sie ja selbst.«
    In der Tat, denkt Judith. Ein skelettierter Unterarm ragt aus dem schwarzen Morast, beinahe sieht es so aus, als wollten die bleichen Finger auf sie zeigen.
    Sie hätten die Waldarbeiten sofort abgebrochen und Judith zu Hilfe geholt, berichtet Diana Westermann stockend. Was so weit korrekt war, bis auf die Tatsache, dass Judith gar nicht hier sein darf. Das Spiel ist aus, denkt sie. Ich bin raus. Karl-Heinz Müller wird alle seine Lieblingshits pfeifen, er wird seine helle Freude daran haben, herauszufinden, wie viele Monate dieser Kandidat – oder ist es eine Kandidatin? – schon in dem Modder begraben ist. Die beiden Ks werden etliche Pakete Kaugummis brauchen. Manni wird doch noch im Schnellbachtal ermitteln müssen. Nur ich, ich bin raus. Sie wundert sich, dass sie bei dem Gedanken nichts empfindet, nicht die Atemnot aus dem Traum, nicht die Verzweiflung. Nur eine seltsam distanzierte Schicksalsergebenheit.
    Diana Westermann taumelt kurz, fängt sich aber sofort wieder und lehnt sich an einen harzigen Baum. Sie sieht jetzt sehr blass aus, offenbar erleidet sie gerade einen verspäteten Schock.
    »Kommen Sie. Sie müssen hier weg. Sie dürfen da nicht länger hingucken.« Judith packt die Försterin, die auf einmal sehr viel jünger aussieht als 28, am Arm und führt sie den Hang hinunter zu der Stelle, wo die Waldarbeiter auf einem Baumstamm sitzen und sie gespannt beobachten.
    »Kann jemand Frau Westermann bitte etwas zu trinken besorgen? Und hat jemand ein Handy?« Warum hat sie ihr eigenes Handy nicht dabei, warum hält sie sich so brav an die Regeln des Sonnenhofs? Mehrere Männer ziehen Mobiltelefone aus Jacken- und Hosentaschen, doch keines davon hat Empfang.
    »Hat jemand was zu schreiben?« Judith spricht sehr laut und sehr schnell, damit sie es sich nicht anders überlegen kann. Sie nimmt den Notizblock und den Stift, den einer der Männer ihr reicht, und kritzelt Mannis Namen und Handynummer darauf.
    »Hier.« Sie drückt den Zettel dem älteren Mann in die Hand, der ihr seriös erscheint. »Bitte nehmen Sie den Jeep von Frau Westermann und fahren Sie auf dem schnellsten Weg irgendwohin, von wo Sie telefonieren können. Rufen Sie diese Nummer an und bitten Sie meinen Kollegen, sofort zum Sonnenhof zu kommen. Berichten Sie ihm, wie Sie die Leiche gefunden haben. Warten Sie danach am Sonnenhof auf ihn und bringen Sie ihn hierher. Und sagen Sie bitte, dass ich zufällig vor Ort war und dass er die ganze Mannschaft brauchen wird. Können Sie sich das merken? Kann ich mich auf Sie verlassen?«
    »Die ganze Mannschaft?« Der Mann klettert bereits in den Jeep.
    »Er weiß dann schon Bescheid.«
    Sie weigert sich, die Fragen der Männer zu beantworten, während sie warten. »Sie müssen mit meinen Kollegen sprechen, ich bin nicht zuständig«, erklärt sie ein ums andere Mal. Sie schnorrt sich eine Zigarette und eine Tasse Kaffee. Beides schmeckt nach nichts.
    Nach einer kleinen

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