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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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Gesicht in den Himmel.
    »Steine«, sinniert Klaus, der inzwischen den Rucksack geöffnet hat, »jemand hat ihr gottverdammte Steine in den Rucksack gesteckt, damit sie unten bleibt.«
    »War sie da schon tot?«, fragt Manni unwillkürlich.
    Der Rechtsmediziner wirft ihm einen seiner finstersten Blicke zu. »Kann ich noch nicht sagen, und frag jetzt bloß nicht, wie lange sie schon hier drin liegt. Fast alles ist möglich. Monate wahrscheinlich.«
    Manni starrt auf die Tote zu seinen Füßen. Um ihren Hals hängt ein Lederriemen mit einem verschnörkelten Zeichen aus Silber. Vermutlich war sie einmal hübsch. Hübsch und jung und hoffnungsvoll. Wer packt einer jungen Frau Feldsteine in einen Rucksack, gurtet ihr dieses tödliche Gewicht an den schmalen Leib und versenkt sie in einem Krater voller Schlamm? Eine gehörnte Ehefrau? Auch wenn Manni keinerlei Sympathien für Juliane Wengert hegt, erscheint ihm das schwer vorstellbar.
    Laura Nungesser, denkt er. Vor einer Viertelstunde ist auch Ralf, der Anfänger, am Tatort eingetroffen. Völlig außer Atem und erwartungsvoll wie ein Kind vor der Weihnachtsbescherung. Es ist ihm tatsächlich gelungen, eine Freundin der Schulabgängerin Nungesser zu finden. Diese Freundin hat ausgesagt, dass Laura den Lehrer Andreas Wengert quasi fanatisch verehrte. Er sei wie ihr Vater, hatte sie geschwärmt. Von einer Affäre der beiden wollte die Freundin jedoch nichts wissen, und sie hatte auch keine Ahnung, warum Laura plötzlich von der Schule abgegangen war oder wo sie sich seitdem aufhielt. Hatte sich Laura irgendwie verändert, bevor sie verschwand, wollte der Anfänger wissen. Sie sei irgendwie selbstbewusster geworden und habe mit einem ominösen Freund angegeben, dessen Identität sie um keinen Preis verraten wollte. Niemand hätte das sonderlich ernst genommen. Sie dachten alle, Laura wolle sich wichtig machen.
    Andererseits kann das auch wieder nicht stimmen, beendete die Schülerin ihren Bericht. Denn eigentlich wusste sie plötzlich verdammt viel darüber, wie man es macht. Der Anfänger hatte darauf verzichtet, sie über Details auszufragen. Leider hat er auch kein Foto von Laura besorgt.
    Manni schiebt sich noch ein Pfefferminz in den Mund. Ist diese Laura Nungesser das Mädchen, das sie suchen? Ist sie der Schlüssel zu diesem Fall? Ist sie die Tote, die vor ihm liegt?
    Hat Juliane Wengert erst sie und später ihren Ehemann hier in den Wald gelockt und ermordet? Die Freundin von Andreas Wengert sei ein junges Ding mit langen dunklen Haaren, hatte die Nachbarin der Wengerts ausgesagt. Manni geht neben Karl-Heinz Müller in die Hocke.
    »Kannst du sagen, ob sie sich die Haare färbte?«
    Der Rechtsmediziner knurrt vor sich hin, beugt sich dann aber mit Vergrößerungsglas und Leuchte über den Haaransatz der Toten.
    »Sieht nicht so aus.«
    Es ist nicht fair. Seit Tagen ermittelt Manni, was das Zeug hält. Millstätt ist voll und ganz einverstanden mit allem, was er tut, und trotzdem wird jeder mühsam erkämpfte Erfolg sofort durch ein noch größeres Problem zunichte gemacht.
    Die blonde Försterin sitzt einsam in ihrem Jeep und starrt ins Leere. Manni geht zu ihr hin und klopft an die Scheibe. Wie in Zeitlupe dreht sie den Kopf und lässt, als er nicht aufhört, ans Glas zu trommeln, das Fenster herunter.
    »Laura Nungesser«, sagt er. »Sagt Ihnen dieser Name etwas?«
    »Laura? Ist ihr etwas passiert? Ist sie – aber nein, das kann ja nicht sein, ich habe sie ja heute morgen noch gesehen.« Die Försterin spricht leise, wie zu sich selbst.
    »Sie kennen das Mädchen? Laura Nungesser?«
    Aufreizend langsam wendet sie sich ihm zu. »Was wollen Sie von ihr?«
    »Ich muss sie dringend sprechen, ich muss wissen, wo sie ist.«
    »Im Sonnenhof, sie lebt im Sonnenhof.« Die Försterin sieht aus, als ob sie gleich die Beherrschung verliert und zu weinen beginnt. Verspätet registriert Manni, dass sie offenbar unter Schock steht. Ihre Lippen sind ganz farblos, die Pupillen klein und starr. Er hält ihr seine Fisherman’s Friends hin.
    »Hier, nehmen Sie eins, wir bringen Sie gleich heim. Vorerst habe ich nur noch eine Frage.«
    Die Försterin nickt wie in Trance. Manni wedelt mit der Pfefferminz-Tüte. Sie nimmt ihn nicht wahr.
    »Frau Westermann, hören Sie mich? Haben Sie irgendeine Idee, wer die Tote sein könnte, die hier heute morgen gefunden wurde? Eine Frau mit blonden Zöpfen, sie trug ein violettes Kleid.«
    »Darshan.«
    Jetzt beginnt sie wirklich zu weinen, und

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