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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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direkt aus dem Karton. Keiner von ihnen spricht dabei, aber es ist ein angenehmes, einvernehmliches Schweigen.
    »Du bist also sicher, dass Laura ein Verhältnis mit Andreas Wengert hatte und dass sie eine Schülerin von ihm war?«, fragt Judith, als sie ihr nächtliches Mahl beendet und den Küchentisch freigeräumt haben.
    »Zumindest das letztere hat die Direktorin bestätigt. Und was die Liebe angeht …« Manni beschließt, mit offenen Karten zu spielen, und legt die Ausdrucke der E-Mails vor sie auf den Tisch. Judith Krieger studiert sie mit gerunzelter Stirn.
    »›Liebster Andi, ich weiß, dass ich dich nicht drängen darf, dass ich Geduld haben muss. Aber du fehlst mir so. Ich will dich anfassen, überall küssen. Ich will mit dir reden, stundenlang, wie früher. Wenn du bei mir bist, ist alles gut. Liebst du mich noch, denkst du noch an deine kleine L.‹ – Meine Güte! Das klingt nicht gerade nach einer glücklichen Beziehung, sondern eher danach, als ob er aussteigen wollte.«
    »Sie müssen sich trotzdem noch getroffen haben, als Laura schon im Sonnenhof war.« Manni nimmt eine andere E-Mail und liest vor: »›3. September. Seit du bei mir warst, schwebe ich auf einer rosa Wolke. Oh, bitte, bitte, bitte komm bald wieder und mach alles, was du mit mir gemacht hast, noch einmal. Ich verspreche dir auch, ich verspreche es wirklich, dass ich dann keine Fragen mehr über deine Frau stelle.‹«
    Unwillig schüttelt Judith den Kopf. »So viel blinde Sehnsucht. Und vermutlich war er das gar nicht wert. Ich bin übrigens sicher, dass sie ihre Rendezvous auf dem Hochsitz hatten, wo er erschossen wurde.« Sie legt mehrere Butterbrottüten aus durchsichtigem Plastik auf den Tisch.
    »Das hier ist ein Plastiksplitter, den ich am Tatort versehentlich eingesteckt und dann lange vergessen habe. Er passt exakt zu einer CD-Hülle, die ich in Laura Nungessers Zimmer entdeckt habe. Und dies hier sind zwei Zigarettenkippen von ihr. Jede Wette, dass Tabaksorte und Speichel identisch mit den Spuren sind, die die Ks am Tatort sichergestellt haben. Und das hier hat mir die Försterin gezeigt. Ein Stofffetzen, den sie in den Brombeeren im Wald fand – angeblich neben der Stelle, wo dieses Handy lag – und nicht weit weg von dem Bombenkrater, in dem unser zweites Opfer lag.«
    Manni starrt sie an, sprachlos. Bevor er sich wieder gefasst hat, spricht sie schon weiter.
    »Ja, ich weiß, Beweismaterial. Ich will mich gar nicht rausreden, ich dürfte das nicht haben. Bitte glaub mir, dass ich das auf keinen Fall unterschlagen wollte.«
    »Und jetzt darf ich das für dich abliefern.« Manni ist ganz und gar nicht sicher, ob er Lust hat, der Krieger diesen Gefallen zu tun. Er tippt auf die Tüte mit den Zigarettenkippen. »Das hier ist vor Gericht nicht verwendbar. Du hattest keinen Durchsuchungsbeschluss, warst nicht einmal im Dienst.«
    »Du wolltest wissen, was ich im Sonnenhof herausgefunden habe. Jetzt weißt du es.«
    Sie hat Recht, und inzwischen ist es beinahe zwei Uhr morgens. Er hat plötzlich keine Lust mehr, mit ihr zu streiten, das Ganze ist sowieso schon verfahren genug und er braucht Erfolge. Er seufzt. »Es hilft natürlich trotzdem, wenn wir dadurch mit Sicherheit wissen, dass Laura Nungesser ihren Lehrer auf dem Hochsitz am Erlengrund getroffen hat.«
    »Ich glaube aber nicht, dass sie ihn getötet hat.«
    Er dreht die Tüte mit dem violetten Stofffetzen hin und her. Verblichener Samt, ausgefranste Enden. Irgendwo am Saum vom Kleid des toten Mädchens aus dem Schlammloch werden sie ein passendes Loch finden, da ist er sicher.
    »Darshan,« sagt er. »Bürgerlicher Name: Maria Klein. Lebte im Sonnenhof bis Anfang Mai, wollte von dort in einen indischen Aschram fliegen, wo sie nicht ankam. Sie hatte lange blonde Haare und trug sehr häufig ein Kleid aus violettem Samt. Wie das tote Mädchen, das wir heute morgen gefunden haben. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass diese Tote Darshan ist, auch wenn wir sie noch nicht endgültig identifiziert haben. Aber welchen Zusammenhang gibt es zwischen ihr, Laura Nungesser und Andreas Wengert?«
    Er zahlt das, was er sich überlegt hat, an den Fingern ab. »Alle drei waren im Schnellbachtal. Beide Mädchen lebten beziehungsweise leben noch im Sonnenhof. Aber heißt das auch, dass alle drei sich kannten? Und selbst wenn es so ist, wer könnte ein Interesse daran haben, erst Darshan Maria Klein und dann Andreas Wengert zu töten?«
    Judith Krieger blättert in den E-Mails.

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