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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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holt Diana zurück in die Gegenwart. Gleich ist sie zu Hause, der Jeep rumpelt schon über die geschotterte Zufahrt. Viel zu schnell, gerade noch kann sie verhindern, dass sie aus der Kurve schleudert. Direkt hinter der Kurve steht ein Lieferwagen. Bens Lieferwagen. Er ist leer, die Ladefläche ragt über den Straßengraben. Die Fahrertür steht offen, als hätte der Fahrer den Wagen in großer Eile verlassen. Oben liegt das Forsthaus, dunkel und verlassen. Diana angelt die Tasche mit ihrer Mauser hinter dem Sitz hervor und lädt sie durch, bevor sie die letzten 300 Meter zum Haus hinauffährt.
    Sie sieht sofort, dass etwas an ihrer Türklinke hängt. Lauras Stirnband. Das Mädchen war also hier. Auf der Eingangsschwelle zwei angebissene Äpfel. Etwas schreit im Wald. Nur ein Tier, versucht Diana sich zu beruhigen. Aber was für ein Tier? So einen Schrei hat sie noch nie gehört. Sie wählt die Notrufnummer der Polizei, während sie Ronja an die Leine nimmt. Der Beamte am anderen Ende der Leitung kann sie nicht mit der Einsatzleitung im Schnellbachtal verbinden, hört sich aber an, was sie zu sagen hat, und verspricht, es umgehend weiterzuleiten. »Bleiben Sie, wo Sie sind, und warten Sie auf uns«, rät er zum Abschied.
    Diana hockt sich vor ihre Hündin hin und krault sie. Plötzlich erinnert sie sich daran, wie glücklich Laura gewesen ist, als sie zusammen Bäume ausgezeichnet haben. Auch das tut weh. Wieder ein Schrei, gedämpfter diesmal. Sie weiß, dass es das einzig Vernünftige ist, auf die Polizei zu warten, aber das kann sie nicht. Sie nimmt Lauras Stirnband und hält es Ronja hin.
    »Such, Ronja! Such Laura. Bring mich zu Laura.«
    Die Hündin bellt und zieht Richtung Wald. Diana hofft inständig, dass sie nicht zu spät kommen werden.
     
    ***
    Offensichtlich hat Manni einen maßstabgerechten, bis ins Detail stimmenden Plan des gesamten Schnellbachtals in seinem Kopf gespeichert, denn er teilt die Suchtrupps so souverän ein, als sei er im Sonnenhof geboren. Ihr gefällt die kumpelhafte Art, mit der Manni die Beamten dirigiert. Jetzt sind fast alle ausgeschwärmt und es ist etwas ruhiger auf dem Parkplatz. Judith schnorrt von Hans Edling eine Tasse Kaffee. Sie braucht eine Pause. Sie kann sich nicht erinnern, wann sie zuletzt geschlafen oder gegessen hat, dennoch fühlt sie weder Hunger noch Müdigkeit. Die Eröffnung, dass der Schreiner vom Sonnenhof vermutlich ein zweifacher Mörder ist, hat im Aschram sprachloses Entsetzen ausgelöst. Niemand kann sich das erklären. Später, wenn dieser Albtraum zu Ende ist, werden sie es trotzdem versuchen, da ist sich Judith sicher. Warum werden manche Menschen zu Mördern und andere nicht? Es gibt keine Erklärung dafür. Aber im Moment ist es dafür sowieso zu früh, jetzt müssen sie erst einmal Benjamin Roth finden. Und Laura. Ein paar der Bewohner vom Sonnenhof glauben, dass der Schreiner im Wald einen Unterschlupf hat. Vielleicht hat er das Mädchen ja dorthin gebracht. Doch wo dieser Unterschlupf sein soll, weiß keiner. Irgendwo im Wald.
    Judith setzt sich in ihren Passat und schließt einen Moment lang die Augen. Sie muss sich sammeln. Die Wut, die sie durch die letzten Stunden gepeitscht hat, ist verraucht, die Angst ist geblieben. Die Angst, zu spät zu kommen. Ihr ganz persönlicher Albtraum, ihre Niederlage. Sie öffnet die Augen wieder. Am schlimmsten ist das Warten. Darauf, dass einer der Beamten im Wald eine Spur findet, damit sie wieder handeln können. Wie wird diese Nacht zu Ende gehen? Wie wird ihr eigenes Leben morgen aussehen? Der Gedanke, dass sie sich vermutlich einen neuen Job suchen muss, erscheint ihr im Moment erträglich, solange sie nur Laura Nungesser lebend finden. Judith klopft die letzte Benson & Hedges aus dem Päckchen und zündet sie an, sie hat längst aufgehört, zu zählen, die wievielte Zigarette des Tages das ist. Warten, denkt sie. Das Gegenteil von leben.
    Manni wirft sich neben sie auf den Beifahrersitz.
    »Fahr!« Der Unterton in seiner Stimme macht sie augenblicklich hellwach.
    »Wohin?«
    »Die Abkürzung durch den Wald, zum Forsthaus!«
    Die Reifen drehen durch, sie nimmt Gas weg, schlittert auf den Weg.
    »Was ist passiert?«
    »Die Försterin hat angerufen. Sie ist sicher, dass Laura am Forsthaus auf sie gewartet hat. Leider parkt dort auch der Lieferwagen von Benjamin Roth.«
    »Aber der Anfänger ist doch da, das hätte er doch bemerken müssen!« Sie schreit.
    »Er ist zurückgekommen, weil Diana Westermann

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