Der Wald ist schweigen
hier.«
»Wenn, dann lebt so einer im Sonnenhof.« Helgas Stimme ist deutlich anzumerken, dass sie mit den Bewohnern des alten Gutshofs nichts zu tun haben will.
»Im Sonnenhof. Warum denken Sie das?«
»Na, wegen der langen Haare.«
Egbert Wiehl greift nach der kalten, weichen Hand seiner Frau und drückt sie. Besser, Helga sagt nicht zu viel. Die Kommissarin soll nicht denken, dass sie intolerant sind, bloß weil sie auf dem Land leben.
»Ja, das wäre wirklich eine Möglichkeit. Wir kennen die Leute vom Sonnenhof nicht so gut. Außerdem haben sie dort immer wieder neue Gäste.«
»Was genau ist der Sonnenhof eigentlich?«
Helga holt Luft, aber er kommt ihr wieder zuvor. »Ein Seminarhaus. Sie bieten dort Kurse an, soweit ich weiß. Meditation, Yoga, so was in der Art. Sie haben ein paar Felder und Teiche, die sie bestellen.«
»Ständig kommen neue Leute dorthin und machen die Gegend unsicher. Wandern hier rum und singen ihre komischen Lieder.«
»Lass mal, Helga, wenn Fremde kommen, fördert das den Tourismus hier in der Region.«
»Wenn ein paar verwahrloste Aussteiger unsere Wanderwege benutzen? Mach dich doch nicht lächerlich, Egbert! Als ob die jemals einer anständigen Gaststätte einen Besuch abstatten würden.«
»Na ja, lass mal gut sein. Ich glaube kaum, dass das für die Kommissarin interessant ist.«
»Einkaufen tun die bei uns auch nicht.« Helga kneift die Lippen zusammen.
»Was für mich interessant ist, das lassen Sie mal meine Sorge sein.« Die Kommissarin lächelt und kritzelt etwas in ihr Notizbuch. »Gibt es sonst noch irgendetwas, das Ihnen aufgefallen ist oder von dem Sie glauben, dass es für die Ermittlungsarbeiten wichtig sein könnte?«
Einträchtig schütteln Helga und er den Kopf. Die Kommissarin legt eine Visitenkarte auf den Tisch.
»Ihre Personalien hat mein Kollege ja bereits aufgenommen und verreisen wollen Sie in nächster Zeit auch nicht?«
Sie unterstreicht eine der Nummern und schiebt die Karte zu ihnen herüber. »Ein Kollege wird Sie nun heimfahren. Morgen müssen Sie dann noch eine offizielle Aussage machen. Sollte Ihnen doch noch irgend etwas einfallen, melden Sie sich bitte auf jeden Fall bei mir, egal, wie unwichtig es Ihnen auch erscheinen mag – und egal wann.«
Sie gibt ihnen die Hand und springt aus dem Bus. Schwerfällig folgen sie ihr. Die frische Luft lässt sie frösteln.
»Lass uns heimgehen, Egbert.«
Helga hat Recht. Für eine Wanderung zum Bärenberg ist es zu spät.
***
Das mit dem Haargummi und dem Kleinmädchenblick ist ein mieser Trick gewesen, aber er hat funktioniert. Augenblicklich hat sich Silberjacke bemüßigt gefühlt, Diana zu beschützen. Die Kommissarin ist deswegen stocksauer gewesen, hat sich aber beherrscht; Diana darf die restlichen Fragen am nächsten Tag beantworten. Silberjacke hat sich inzwischen als Manfred Korzilius vorgestellt. Jetzt sitzt er neben ihr auf der Rückbank eines Streifenwagens und wippt mit seinen langen Beinen zu einem Rhythmus, den außer ihm niemand hören kann. Sie fahren den langen Weg, an den Teichen des Sonnenhofs vorbei – der direkte Weg vom Erlengrund zum Forsthaus ist nur mit einem Jeep passierbar. Diana überlegt, ob sie darum bitten soll, anzuhalten, damit sie Ronja abholen kann. Aber sie hat keine Lust, sich mit ihren staatsdienernden Begleitern zu zeigen, und die Bewohner des Sonnenhofs sind sicher auch nicht gerade scharf darauf, dass in ihrem Aschram neugierige Polizisten herumtrampeln. Schweigend sieht Diana aus dem Fenster und hofft, dass der Streifenwagen den Anstieg zum Forsthaus bewältigt, ohne stecken zu bleiben.
Sie beherrscht sich, als sie endlich vor dem Forsthaus anhalten. Läuft nicht einfach grußlos weg, sondern blickt dem Kripo-Beamten Manfred Korzilius stattdessen in die himmelblauen Augen und schenkt ihm ein Lächeln. Er hat es verdient. Der Fahrer steigt aus und öffnet ihr die Tür.
»Also dann, vielen Dank fürs Heimfahren.« Sie klettert aus dem Wagen, winkt und läuft auf ihre Haustür zu. Endlich!
Aber sie hat sich getäuscht. Silberjacke ist mit zwei langen Sätzen neben ihr.
»Sorry, Lady, ich muss noch kurz mit reinkommen. Ich muss Ihren Jagdschein überprüfen. Und dann brauche ich Ihre Gewehre.«
***
Zu Anfang hat sie die Meditation gehasst. Alles hat sie gehasst, weil sie nicht hier sein wollte, sondern zu Hause. Laura nimmt sich ein Kissen und eine Wolldecke aus dem Regal und setzt sich wie immer ganz hinten an die Wand. Von hier hat sie
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