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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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vorher noch in Ruhe frisch machen. Der Blick ihrer Mutter heftete sich für einen Moment an Dianas staubige Jeans. Wortlos schulterte Diana ihren Rucksack und folgte ihrem Vater in ihr altes Kinderzimmer. Er stellte die beiden Koffer akkurat nebeneinander vor das Fenster und sah seine älteste Tochter zum ersten Mal richtig an.
    Es ist gut, dass du wieder in Deutschland bist. Deine Mutter ist im Moment sehr angespannt, Tamara steht kurz vor dem großen Durchbruch, wahrscheinlich bekommt sie sogar einen Plattenvertrag, aber sie braucht deine Mutter noch sehr.
    Ich werde nicht wieder hier wohnen. Am Wochenende kann ich schon nach Unterbach ins Forsthaus ziehen.
    Es ist gut, dass du wieder in Deutschland bist, wiederholte ihr Vater. Vom Bergischen Land nach Köln ist es nicht sehr weit.
    »Ich glaube, Sie hören mir gar nicht zu«, sagt die Kommissarin.
    »Entschuldigung, Sie haben Recht. Was haben Sie gerade gesagt?«
    »Ist Ihnen jemals aufgefallen, dass der Hochsitz von jemand anderem benutzt wird als von Ihnen?«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich. Sicher wird er das. Spaziergänger können da raufklettern, zum Beispiel. Das ist zwar verboten, weil ein Hochsitz eine jagdliche Einrichtung ist, aber man kann es nicht verhindern. Vielleicht benutzt ihn auch einer der Männer aus dem Dorf, die die Erlaubnis haben, dieses Revier zu bejagen.«
    »Ich brauche eine Liste mit den Namen.«
    »Die hab ich drüben im Büro, ich hole sie.« Diana steht auf. Die Anrufe, denkt sie, während sie die Liste kopiert. Kann es da einen Zusammenhang geben? Aber das ist allein ihre Sache und außerdem hat keiner sie je zum Hochsitz geleitet. Laura fällt ihr ein. Hat die nicht irgendwann erzählt, dass sie manchmal zum Erlengrund geht, wenn sie nachdenken will? Laura und weiß Gott wer noch. Als sie zurück in die Küche kommt, sitzt die Kommissarin immer noch am Tisch und studiert ihre sommersprossigen Hände.
    »Es gibt einen schönen Fußweg vom Sonnenhof zum Erlengrund«, sagt Diana. »Vielleicht fragen Sie dort mal nach.«
    »Sie denken an jemand Bestimmtes?«
    »Nein, wie kommen Sie darauf?«
    Die Kommissarin runzelt die Stirn. »Ist es so?«
    »Nein.«
    »Sicher?«
    Die Kommissarin drückt wieder mit ihrem gelben Zeigefinger unter dem linken Auge herum. Sie sieht wirklich ziemlich müde aus. Trotzdem ist sie verdammt hartnäckig.
    »Ich denke an niemand Bestimmtes«, sagt Diana Westermann.
    »Und Sie selbst benutzen diesen Hochsitz regelmäßig?«
    »Das habe ich doch alles schon mehrfach gesagt.«
    Die Kommissarin steht auf. In ihren irritierend türkisgrauen Augen spiegeln sich Misstrauen und mühsam unterdrückter Ärger.
    »Also gut, warten wir auf das Ergebnis der Spurensicherung. Das dauert immer ein paar Tage, leider.«
    »Ich bin sicher, dass Sie sich vergeblich bemühen.«
    »Sie haben nicht vor, in nächster Zeit zu verreisen?«
    Diana schüttelt den Kopf.
    »Bis bald«, sagt die Kommissarin. »Ich finde selbst hinaus.«

Mittwoch, 29. Oktober
    Manfred Korzilius arbeitet präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Er hat überhaupt keine Lust, sich zum Deppen zu machen und in diesem öden Unterbach von Haustür zu Haustür zu gehen und zu fragen, ob auch wirklich niemand einen blonden Mann vermisst. Aber erfolgreiche Ermittlungsarbeit, so haben es die Dozenten an der Polizeischule gesagt, so steht es in jedem seiner Lehrbücher und so wird sein Chef nicht müde zu behaupten, besteht vor allem und zuallererst aus sorgfältiger Routine. Zusammen mit Hans Edling hat Manni einen Plan angefertigt und jeden, aber wirklich jeden Waldparkplatz markiert und vor Ort persönlich nach einem Fahrzeug, das Opfer oder Täter benutzt haben könnten, abgesucht. In allen umliegenden Ortschaften haben sie Fahndungsanzeigen aufgegeben und ausgehängt. Aber die Menschen sind komisch. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass sie zur Polizei kommen und freiwillig mit ihrem Wissen herausrücken. Und deshalb muss man sie persönlich befragen.
    Klingeln, Ausweis vorzeigen, erklären, zuhören, neugierige Fragen abwimmeln und dann wieder einen Haken auf die Liste machen, und weiter zum nächsten Haus. Manni trabt mit federnden Schritten bergan. Die Jacke ist ihm inzwischen viel zu warm, aber wenn er sie auszieht, hat er die Hände nicht frei. Außerdem könnte sein Funkgerät rausfallen. Seine Verbindung zu Hans Edling, der in Oberbach dieselbe Arbeit verrichtet wie er. Manni lässt seinen Atem in einem kontrollierten, langen Zug aus den Lungen strömen.

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