Der Wald: Roman
Gerede«, sagte Mum. »Das jagt den Mädchen Angst ein. Wir wissen doch alle, dass da niemand begraben liegt.«
»Doch, da unten ist jemand«, mischte sich Rose ein.
»Seht ihr, was ich meine? Alles nur, weil jemand so einen kranken Humor hat.«
»Wir haben noch ein ganzes Stück vor uns«, sagte Dad. »Deshalb finde ich, wir sollten unsere Ärsche in Bewegung setzen.«
»Arnold!«
»Warum geht ihr nicht schon vor?«, schlug Julie vor. »Ich hole euch schon ein.«
»Julie …«
»Warum nicht? Was spricht denn dagegen? Ich richte alles wieder so her, wie es war.«
»Was hoffst du zu finden?«, fragte Scott.
Sie lächelte geheimnisvoll. »Antworten.«
»Ach, um Gottes willen«, stöhnte Mum. »Da drin ist nichts.«
Dad grinste und war offenbar auf Julies Seite. »Es würde trotzdem nicht schaden, Gewissheit zu haben.«
»Arnold!«
»Ich bleib hier und helfe dir«, sagte Nick.
»Das ist wirklich lächerlich«, empörte sich seine Mutter.
»Verdammt, lass sie doch ihre Neugierde befriedigen, Alice. Du hast selbst gesagt, dass sie nichts finden werden.«
»Das stimmt«, antwortete sie. »Und wenn sie Zeit und Energie darauf verschwenden wollen, dann liegt mir nichts ferner, als sie aufzuhalten.«
»Braves Mädchen.«
Sie warf ihm ein kurzes, humorloses Lächeln zu.
»Aber bleibt nicht zu lange, Kinder«, sagte Dad.
»Wir kommen so bald wie möglich nach.«
Heather starrte Nick mit großen ängstlichen Augen an. »Ihr wollt es ausgraben?«
»Wahrscheinlich liegt nur ein alter Schuh drin«, sagte Nick.
Rose kniff die Augen zusammen. »Das wird euch noch leidtun«, sagte sie in einem seltsamen Singsang.
Die beiden Mädchen drehten sich um und beeilten sich, zu ihren Eltern aufzuschließen.
»Willst du hierbleiben?«, fragte Scott Benny.
Der Junge zog ein Gesicht, als hätte ihm jemand angeboten, einen Wurm zu probieren. »Ich will keine Leichen sehen«, verkündete er.
»Das kann ich dir nicht verübeln«, sagte Karen.
Scott wandte sich ihr zu. »Sollen wir weitergehen und unsere beiden Grabschänder ihrem grässlichen Werk überlassen?«
»Ich bin dabei.«
Die drei stiegen weiter den Weg hinauf und ließen Nick und Julie am Grab zurück. »Auftrag ausgeführt«, sagte Julie. Nick hielt ihren Rucksack, während sie die Arme aus den Trageriemen zog. »Danke, mein Herr.« Sie nahm ihm ihr Gepäck ab und stellte es auf den Boden. Nick setzte ebenfalls seinen Rucksack ab. »Ich hab hier irgendwo eine kleine Schaufel drin«, meinte Julie. Sie lehnte ihren Rucksack gegen seinen. Dann hockte sie sich hin, öffnete die Schließe und klappte die Abdeckung auf.
Nick trat hinter Julie, während sie in ihrem Gepäck wühlte. Das T-Shirt klebte an ihrem verschwitzten Rücken. Man konnte die gebräunte Haut durch den Stoff erkennen. Und auch den schmalen Streifen des BHs und die beiden dünnen Träger, die sich über ihre Schultern zogen. Er sah kleine Beulen, wo sich das Rückgrat unter dem T-Shirt abzeichnete, und erinnerte sich daran, wie er letzte Nacht ihre Nippel hatte sehen können. Hey, du kannst mich angucken, so viel du willst. Ich hab dich auch angesehen.
»Es kann losgehen.« Sie richtete sich mit einer grünen Plastikkelle in der Hand auf.
»Perfekt«, sagte Nick.
Sie gingen zu dem Hügel hinüber. »Wo sollen wir graben?«
»In der Mitte?«
»Spricht nichts dagegen.« Sie lächelte ein wenig nervös und kniete sich neben die Steinumrandung. Nick ging um sie herum und ließ sich neben ihr auf die Knie sinken. Ihre Schulter streifte ihn, als sie sich mit der Kelle nach vorn beugte. Mit der Kante kratzte sie eine Schicht Piniennadeln ab und legte einen Fleck Erde frei. Dann ritzte sie mit der Spitze zwei sich überschneidende Linien in den Boden. »Das Kreuz markiert das Ziel«, flüsterte sie. Sie stach die Plastikschneide in die Erde und zögerte. »Du glaubst doch nicht, dass … dass da wirklich jemand liegt, oder?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.« Sie brach ein Stück Erde heraus und warf es neben den Hügel. »Ich meine, wer würde denn jemanden hier draußen begraben?«
»Ich weiß nicht.« Nicks Mund war trocken. Sein Herz schlug schnell. Er wusste nicht, ob er wegen des Grabs so angespannt war oder weil Julie so nah bei ihm kniete.
»Und wenn wir wirklich eine Leiche finden?«, fragte sie und betrachtete stirnrunzelnd das winzige Loch.
»Unwahrscheinlich.«
»Aber möglich.« Sie wandte ihm das Gesicht zu. Ihre Augen waren so blau, dass sogar das Weiße leicht bläulich wirkte.
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