Der Wald: Roman
lassen.«
Kichernd machte Nick Anstalten, sich auf das Sofa zu setzen. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich zurückhalten und ließ sich stattdessen auf dem Teppich nieder. »Jedenfalls besagt das erste Gebot: Du sollst neben mir keine anderen Götter haben – oder so ähnlich. Deshalb meint Mum, es wäre eine Sünde, an übersinnliches Zeug zu glauben.«
»Wie Flüche?«
»Wie Flüche, Geister, Tischrücken, Handlesen, Astrologie, Hexen, Kobolde und Gremlins.«
»Was zum Teufel ist ein Gremlin?«
»Ein kleines, haariges Ding.«
»Das klingt unanständig.«
»Nicht, was du wieder denkst«, kicherte Nick.
»Wir sollten in der Letterman-Show auftreten«, sagte Julie.
»Lachen tut weh.«
»Mir auch. An den Bauchmuskeln.«
»Ja. Also hör auf.«
»Du auch.«
»Okay. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, Mum und ihre Regel.«
Das löste am anderen Ende der Leitung Schnauben und stürmisches Gelächter aus. »Puh«, keuchte Julie schließlich. »Tut mir leid. Ich …« Sie kicherte. »Ich glaub, ich bin … ein bisschen aufgekratzt. Schlafmangel.« Er hörte sie tief durchatmen. »Okay. Es geht wieder. Erzähl weiter.«
»Ich war eigentlich fertig.«
»Ah, gut. Also, was hast du gerade gemacht?«
»Nur ausgepackt.«
»Das spare ich mir für morgen früh auf. Ich kann das Zeug jetzt nicht sehen. Als Allererstes bin ich unter die Dusche gesprungen.« Er stellte sich vor, wie sie nackt unter dem heißen Strahl stand und ihre Brüste einseifte. »Mann, es fühlt sich echt gut an, wieder sauber zu sein. Jetzt bin ich von Kopf bis Fuß in Franzbranntwein getaucht.«
»Du riechst bestimmt klasse.«
»Von den Dämpfen tränen mir schon die Augen. Und das Nachthemd klebt mir an der Haut.« Er malte sich aus, wie sie in einem Flanellnachthemd aussähe. Natürlich war es wahrscheinlich nicht aus Flanell. Nicht mitten im Sommer. Irgendetwas Leichtes und Durchsichtiges, das an ihren Brüsten haftete. Er fragte sich, ob sie ihre Brüste ebenfalls mit Franzbranntwein eingerieben hatte. »… fast wie ein richtiger Mensch«, sagte sie. »Der lange Marsch hat mich echt geschafft.«
»Das ging uns allen so.«
»Wie geht es Heather?«
»Nicht schlecht. Der Arzt meint, dass es ein paar Wochen dauert, bis es ganz verheilt ist, aber es ist nichts Schlimmes. Sie ist mit Mum in der Küche und bekommt ein Fußbad.«
»Vielleicht sollte sie es auch mal mit Franzbranntwein versuchen.«
»Ja, kann nicht schaden.«
»Zuerst brennt es, aber man gewöhnt sich dran.«
»Vielleicht probier ich’s auch. Wenn ich aus der Dusche komme.«
»Du bist immer noch dreckig, was?«
»Ja. Ich darf erst als Letzter ins Bad. Ich warte darauf, dass Rose endlich fertig ist. Sie braucht ewig.«
»Auch gut. Was, wenn ich angerufen hätte, während du unter der Dusche stehst?«
»Ich hätte zurückgerufen.«
»Dann hätte ich vielleicht schon im Bett gelegen.«
»Hättest du nicht gewartet?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ein Mädchen braucht seinen Schönheitsschlaf.«
»Dann war es ja gut, dass ich nicht unter der Dusche stand.«
»Sehr gut sogar.«
Es trat eine lange Stille ein. Nick befürchtete, dass sie gleich auflegen würde. Er umklammerte fest den Hörer.
»Also …«, sagte sie.
Sein Herz klopfte, und sein Mund war ausgedörrt.
»… ich glaub, ich lass dich jetzt lieber …«
»Julie?«
»Ja?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme.
»Ich will dich sehen.« So. Es war heraus.
»Das wäre schön«, sagte sie.
»Morgen? Morgen Abend? Vielleicht könnten wir ins Kino gehen oder so.«
»Sehr gern.«
»Toll.« Er lachte nervös. »Das ist so komisch.«
»Was ist komisch?«
»Dich um ein Date zu bitten. Ich meine, so als würden wir uns kaum kennen.«
»Wir sind immer noch dieselben Menschen, die wir in den Bergen waren, Nick.«
»Ich weiß. Ich glaub schon.«
»Du glaubst schon?« Sie lachte leise.
»Bloß, dass wir jetzt eben zurück sind. Es ist komisch.«
»Bei mir hat sich nichts geändert. Ich habe immer noch dieselben Gefühle für dich.«
Ein zittriges Lächeln umspielte Nicks Lippen. »Ich fühle auch dasselbe. Ich vermisse dich wirklich. Wie wär’s mit sieben Uhr?«
»Gut. Ich rede nur eben mit Dad. Bleib kurz dran.«
Nick wartete. Er atmete tief durch. Er hatte es getan, er hatte sie gefragt, und sie schien genauso erpicht darauf zu sein wie er. Ich habe immer noch dieselben Gefühle für dich. Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Er war schon jetzt voller nervöser Vorfreude auf die
Weitere Kostenlose Bücher