Der Wald: Roman
Hause entfernt, und Rose spielte auf der Suche nach einem Rocksender am Radio herum, als ein Deutscher Schäferhund hinter einem parkenden Auto hervorgetrottet kam. Alice keuchte auf. Mit einem Arm schlug sie vor Roses Brust und drückte das Mädchen in den Sitz, während sie das Bremspedal durchtrat. Die Reifen quietschten. Der Hund drehte den Kopf und schien Alice anzustarren, machte aber keine Anstalten, aus dem Weg zu gehen. Einen Augenblick lang wurde er von der Motorhaube verdeckt, dann ging ein Ruck durch den Kombi. Alice wimmerte, als der linke Vorderreifen über den Hund rumpelte.
»Oh Mum!«, schrie Rose. In ihrem Gesicht spiegelte sich blankes Entsetzten.
Alice warf einen Blick in den Rückspiegel. Die Straße hinter ihnen war leer. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wäre am liebsten weitergefahren und hätte das alles hinter sich gelassen, aber dann wäre der Hinterreifen auch noch über den Hund gerollt. Dieser Gedanke machte sie krank. Ihr rechtes Bein, mit dem sie immer noch das Bremspedal bis zum Anschlag durchtrat, begann hektisch zu zucken, als hätte sie die Kontrolle über die Muskeln verloren.
Rose fummelte an ihrem Gurt herum.
»Warte mal eine …«
»Wir müssen ihm helfen, Mum!« Sie stieß die Tür auf und sprang aus dem Wagen.
»Rose! Verdammt!«
Ihre Tochter ignorierte sie und rannte vorn um das Auto herum. Mit zitternden Fingern schaltete Alice die Zündung aus. Sie zog die Handbremse an, befreite sich vom Gurt und öffnete die Tür. Ihr zuckendes rechtes Bein gab nach, als sie es belastete. Sie klammerte sich an der Tür fest, um nicht hinzufallen. »Rose!«
Es war zu spät. Das Mädchen stand starr neben dem Vorderreifen, ihr hübsches Gesicht schrecklich verzerrt, und drückte die Hände auf die Ohren, als müsste sie sich vor einem unerträglichen Geräusch schützen.
Alice warf einen kurzen Blick auf die Überreste des zerquetschten Hundes, dann sah sie schnell wieder zu Rose. »Da hast du’s!«, schrie sie. »Bist du jetzt zufrieden? Ich hab doch gesagt , du sollst nicht gucken! Ich wünschte, du würdest verdammt nochmal zuhören , wenn ich dir was sage!«
»Oh Mum«, murmelte Rose, ohne den Blick abzuwenden, und ließ die Hände sinken.
»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
»Wir müssen ihm helfen«, sagte Rose erneut und begann zu weinen.
»Ach, Rose, Rose.« Alice drückte ihre Tochter fest an sich, und ihr kamen ebenfalls die Tränen. »Es tut mir leid, mein Schatz. Es tut mir leid, dass ich dich angebrüllt habe. Ich wollte nur nicht, dass du es siehst. Entschuldigung.«
»Wir müssen ihm helfen.«
»Wir können ihm nicht mehr helfen, Schatz. Der Hund ist jetzt im Himmel.«
»Nein. Bitte. Er kann nicht tot sein!«
»Es tut mir leid.«
»Wir müssen ihn zum Tierarzt bringen.«
»Er ist tot. Da kann auch ein Tierarzt nichts mehr tun.«
»Bitte. Wenn wir es nicht versuchen … Wir müssen es versuchen!«
»Gibt’s Probleme?«, rief jemand.
Alice entdeckte einen bärtigen jungen Mann, der aus der nächsten Einfahrt kam. Bitte, dachte sie, lass es nicht sein Hund sein. »Er ist einfach auf die Straße gerannt«, sagte sie. »Ich konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Er war … direkt vor mir.«
Der Mann trat neben die Motorhaube und blickte nach unten. »Sie haben ihn voll erwischt. Was für eine Schweinerei.«
Alice wischte sich über die Augen. »Wissen Sie, wem er gehört?«
»Ich hab ihn noch nie gesehen.« Er ging neben den Überresten in die Hocke. »Scheint kein Halsband zu tragen. Vielleicht ein Streuner.«
»Wir müssen ihn zum Tierarzt bringen«, sagte Rose.
Der Mann zog die Brauen hoch. »Wollen Sie das in Ihr Auto legen?«
»Nein …«
»Ja! Wir müssen, Mum. Bitte.«
»Süße, er ist tot.«
»Nein, ist er nicht!«
»Für mich sieht er ziemlich tot aus«, sagte der Mann. Er klang ein wenig belustigt. »Ich bin kein Fachmann, aber so wie seine Eingeweide auf der Straße …«
»Hören Sie auf damit!«, fuhr ihn Alice an.
»Entschuldigung. Ich wollte nicht … Wissen Sie was? Wenn Sie den Hund wirklich mitnehmen wollen, helfe ich Ihnen. Aber wir sollten nicht Ihr Auto versauen. Warten Sie doch eine Minute, ich habe ein paar Müllsäcke in der Garage. Machen Sie schon mal die Heckklappe auf. Ich bin sofort wieder da.«
Alice stand stumm da, während er loslief. Sie wollte das schreckliche Ding nicht im Wagen haben. Aber sie sah keinen Ausweg. Sie konnte nicht wegfahren, ohne den Hund noch einmal zu überrollen – wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher