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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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ihn nicht vorher unter dem Auto herauszog. Außerdem würde ihr Rose das nie verzeihen.
    Alice empfand eine gewisse Verantwortung für das arme Tier. Sie gab sich nicht die Schuld an seinem Tod – sie war unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung geblieben, und der Hund war direkt vor ihr auf die Straße gelaufen; niemand hätte in dieser Situation rechtzeitig bremsen können. Aber sie hatte ihn nun einmal getötet, auch wenn sie nichts dafür konnte. So sehr ihr der Gedanke auch missfiel, den Kadaver zu einer Tierklinik zu bringen, wäre wohl das Richtige.
    Dort würde er fachgerecht entsorgt werden.
    Oder sie könnte ihn liegen lassen, damit das Forstamt oder die Feuerwehr ihn mitnahm. Aber dann könnten andere Autos … Vielleicht würde der Mann den Hund von der Straße holen.
    Verdammt, sie konnte ihn genauso gut mitnehmen. Rose den Gefallen tun. Wenn sie sich nicht täuschte, gab es eine Tierklinik auf der Wilshire, nur einen Block von ihrem Zahnarzt entfernt.
    Sie sah den Mann mit einem Müllsack und einer Schippe aus seiner Einfahrt kommen. Eine Schippe. »Steig ein, Schätzchen.«
    Während ihre Tochter gehorchte, zog Alice den Schlüssel aus der Zündung und trat hinter den Wagen. Sie öffnete die Heckklappe. Als sie hinter sich ein Auto hörte, eilte sie zur Fahrertür und schlug sie zu. Das Auto wich auf die andere Spur aus. Alice blickte zu Boden, um nicht zu sehen, wer in dem anderen Wagen saß. Sie war froh, dass das Auto nicht anhielt. Danach war die Straße leer.
    »Sind Sie sicher, dass Sie das Ding mitnehmen wollen?«, fragte der Mann. »Ich könnte es auf den Bürgersteig schleifen und beim Tierheim anrufen.«
    »Nein, ist schon okay. Meine Tochter …«
    »Ja. Kinder. Man ist immer besser dran, wenn man auf sie hört. Hey, meistens haben sie sowieso Recht.«
    Er breitete den Plastiksack knapp neben der Blutlache auf dem Asphalt aus. Dann trat er darauf und zog sich Gartenhandschuhe an. Er spreizte die Beine, um den Sack flach am Boden zu halten, und zog den Hund an den Vorderpfoten unter dem Wagen hervor. Alice sah, dass ein Teil seiner Eingeweide zurückblieb, als klebten sie an der Straße. Sie würgte und wandte sich ab. Sie hörte Plastik knistern, dann das raue Schaben der Schippe. »Na also, geht doch«, sagte der Mann. Zum Hund? »Halten Sie durch? Ma’am? Alles in Ordnung?«
    Alice nickte.
    »Meinen Sie, Sie können mit anfassen? Damit der Sack nicht reißt.«
    »Natürlich«, murmelte sie. Sie drehte sich dem Mann zu und versuchte, den Hund nicht anzusehen. »Was soll ich machen?«
    »Schleifen wir ihn nach hinten. Wenn Sie das Ende der Tüte ein bisschen anheben, um sie ein wenig zu entlasten …«
    Alice trat um den Mann herum. Sie bückte sich und packte den Rand des dünnen Plastiks. Der Mann hob seine Seite an, watschelte rückwärts und zog die grässliche Last hinter sich her. Der Hund war sehr schwer. Um ihn nicht ansehen zu müssen, konzentrierte sich Alice auf den Kopf des Mannes. Obwohl er nicht älter als dreißig zu sein schien, war das schwarze Haar auf dem Schädel schon dünn. Das war vermutlich auch der Grund für den Bart: Kahlköpfige Männer ließen sich oft Bärte wachsen.
    Schließlich erreichten sie das Heck.
    »Hochheben?«, fragte er.
    »Ich versuch’s.«
    »Haben Sie einen guten Griff?«
    Sie fasste den Sack fester.
    »Jetzt.«
    Sie hoben an. Alice spürte, wie sich das Plastik dehnte, als würde es über ihren Fingerspitzen und Knöcheln zerschmelzen. Es drohte zu reißen, doch dann hatten sie es geschafft, und der Hund lag auf der Ladefläche.
    Der Mann kroch in den Wagen. Er zog an dem Sack und zerrte den Hund hinter sich hinein. Dann drehte er sich um, kletterte über die Rückbank und stieg aus.
    Alice schlug den Kofferraum zu.
    »Gut«, sagte der Mann. Er zog die Handschuhe aus und hob seine Schippe auf. »Alles klar. In der Tierklinik gibt es bestimmt jemanden, der ihn für Sie auslädt.«
    »Also, vielen Dank für Ihre Hilfe.« Sie fragte sich, ob sie ihm Geld anbieten sollte. Aber das wäre peinlich, besonders, wenn er es ablehnte. »Wir wissen das sehr zu schätzen.«
    »Gerne«, sagte er und grinste schief. »Hey, sagen Sie mir Bescheid, wenn er durchkommt.«
    Makabrer Humor, dachte Alice. »Mach ich.«
    Der Mann entfernte sich mit federndem Schritt, die Schaufel über der Schulter. Sie hätte sich nicht gewundert, wenn er wie einer der Sieben Zwerge zu pfeifen begonnen hätte.
    »Beil dich, Mom«, rief Rose.
    Sie setzte sich hinters Steuer. Ihre

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