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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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den Kopf des Hundes geschlagen.

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    »Wofür ist der denn da?«, fragte Benny, als ein junger Mann, der neben einem Wachhäuschen stand, sie durchwinkte.
    Tanya lächelte den Mann an und fuhr langsam vorbei. »Er soll dafür sorgen, dass gewisse Leute draußenbleiben«, sagte sie. »Leute, die hier nichts zu schaffen haben. Wenn man nicht aufpasst, hängen hier alle möglichen Verrückten rum. Exhibitionisten, Vergewaltiger, solche Typen. Weil es hier so viele Frauen gibt. Dieses Problem haben alle Unis.«
    »Echt?«, fragte Benny.
    »Klar. In Berkeley gab es ungefähr ein Dutzend Vergewaltigungen, während ich dort war. Das ist ein Grund, aus dem meine Eltern so scharf darauf waren, dass ich hierher wechsle und bei euch wohne.«
    »Das wusste ich nicht«, gab Benny zu. »Ich dachte, du würdest das nur machen, um Dad zu helfen.«
    »Ach, das natürlich auch.« Sie fuhr in eine Parklücke neben einem VW-Bus. »Es gab viele verschiedene Gründe.« Sie griff nach dem Notizblock und der schweren Shakespeare-Ausgabe auf dem Sitz neben sich, aber Benny war schneller.
    »Ich trag das für dich«, sagte er.
    Tanya lächelte, und Benny spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Sie war wirklich hübsch. Aber nicht so schön wie Karen. Er wünschte, er könnte zu Hause sein, wenn Karen kam.
    Er stieg aus dem Wagen und ging mit Tanya den Gehweg an der Seite des Parkplatzes entlang. Nicht weit vor ihnen sah er verschiedene Gebäude: moderne Flachbauten mit verputzten Fassaden und Fenstern wie bei seiner Junior Highschool sowie alte, quadratische Ziegelsteinhäuser. Die Gebäude lagen weit auseinander; zwischen ihnen befanden sich große Rasenflächen mit vielen Bäumen. Tatsächlich, fand Benny, ähnelte der Campus sehr einem Park. Es gab sogar Bänke. »Es ist schön hier«, sagte er.
    »Mir gefällt es auch«, meinte Tanya.
    »Besser als Berkeley?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Nicht so gut?«, hakte er nach.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich glaub, hier gefällt es mir besser. Berkeley ist so riesig, da habe ich mich verloren gefühlt. In manchen Vorlesungen waren ein paar Hundert Studenten. Und jetzt in meinen ShakespeareSeminar? Vierzehn Leute. Das ist prima.« Sie warf einen Blick auf die Armbanduhr und stöhnte. »Das wird knapp.« Doch anstatt sich zu beeilen, blieb sie stehen. Sie wies mit dem Kopf nach rechts. »Mein Seminar ist da drüben. Du gehst besser allein weiter zur Bibliothek, sonst komme ich zu spät. Wir treffen uns da nach dem Seminar, dann können wir Bücher ausleihen, wenn du willst. Okay?«
    »Ja.«
    Sie zeigte nach vorn. »Siehst du das dritte Gebäude da? Das ist die Bibliothek.«
    Benny klappte seine aufgesteckten Sonnenbrillengläser hoch und zählte die Gebäude ab. »Das mit den Säulen?«
    »Genau. Ein ziemlich düsterer Ort. Wenn du die Nase voll hast – das Studentenhaus ist gleich gegenüber. Da kannst du dir eine Cola oder so was holen. Ich mach mich lieber auf die Socken.« Benny gab ihr den Block und das dicke Buch. »Viel Glück«, sagte sie und eilte los. Sie ging quer über den Rasen, und ihr Hintern wackelte in den engen blauen Shorts. Dann winkte sie jemandem und rief: »Steve!« Ein junger Mann, der die Treppe eines Gebäudes vor ihr hinaufstieg, wandte sich um, winkte zurück und wartete auf sie. Tanya joggte zu ihm.
    Benny beobachtete die beiden, bis sie durch eine Glastür traten. Mit einem Gefühl der Verlassenheit klappte er die Sonnengläser herunter und machte sich auf den Weg zur Bibliothek. Die wenigen Studenten, denen er begegnete, schienen es nicht eilig zu haben. Offenbar vertrieben sie sich die Zeit zwischen zwei Seminaren. Ein junges Paar saß auf einer Bank, hielt Händchen und plauderte. Auf einem Hügel zu seiner Rechten lag ein Mädchen in Shorts und schulterfreiem Top auf einem Handtuch in der Sonne und las ein Buch. Ein Frisbee landete neben ihr. Sie ignorierte es ebenso wie den Typen mit nacktem Oberkörper, der hinaufgelaufen kam und es sich vom Boden angelte. Der Mann warf das Frisbee über Benny hinweg und rannte quer über den Weg zurück zu seinen Freunden.
    Benny war froh, dass ihn niemand zu bemerken schien. Er fühlte sich unter den Studenten fehl am Platze, ein Eindringling in ihre spezielle Welt. Er befürchtete, dass ihn jemand zur Rede stellen und hinauswerfen würde.
    Eine Frau in mittleren Jahren, knochig und in einem Hosenanzug, näherte sich ihm und sah ihn durch ihre getönte Brille finster an. »Entschuldigung, junger Mann«,

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