Der Waldläufer
Anfänglich waren nur drei Indianer zu sehen; aber nach und nach tauchten beinahe zwanzig an der Grenze des Horizonts empor. Die einen waren mit Lanzen bewaffnet, andere wiederum ließen ihre Lassos aus geflochtenem Leder durch die Luft kreisen; alle aber stießen jenes Geheul aus, wodurch sie ihre Freude oder ihren Zorn kundgeben.
Pepe warf einen fragenden Blick auf den Kanadier, wie um ihn zu fragen, ob er auch so schreckliche Aussichten berechnet hätte, um Fabian ihre abenteuerliche Lebensweise angenehm zu machen. Zum erstenmal in einem solchen Augenblick war die Stirn des unerschrockenen Jägers von einer tödlichen Blässe bedeckt. Ein düsterer, aber beredter Blick war die Antwort Bois-Rosés auf die stumme Frage des Spaniers.
Das heißt, dachte Pepe, daß eine zu große Liebe im Herzen des mutigsten Mannes ihn für den zittern läßt, den er mehr als sein Leben liebt, und daß Abenteurer, wie wir es sind, durch nichts an die Welt gefesselt sein dürfen. Ein Beispiel ist Bois-Rosé, der schwach wird wie ein Weib.
Indessen war es beinahe gewiß, daß selbst das so geübte Auge eines Indianers ihren geheimen Zufluchtsort nicht durchdringen konnte. Die drei Jäger beobachteten also, nachdem die erste Unruhe vorüber war, die Bewegungen der Indianer mit kälterem Blut. Einen Augenblick noch verfolgten die wilden Reiter die flüchtigen Pferde.
Die zahllosen Hindernisse, mit denen diese anscheinend so gleichen Ebenen besät sind – nämlich Schluchten, Hügel, Kakteen mit scharfen Spitzen –, konnten sie nicht aufhalten. Ohne sich nur die Mühe zu geben, ihren ungestümen Ritt zu mäßigen oder diese Hindernisse zu umgehen, setzten die indianischen Krieger mit einer Kühnheit, die vor nichts zurückbebte, darüber hinweg. Fabian betrachtete, da er selbst ein tollkühner Reiter war, die Kunststückchen dieser unerschrockenen Jäger mit Enthusiasmus; doch bewirkten die Vorsichtsmaßnahmen, die die drei Freunde zu treffen genötigt waren, um sich dem Auge der Indianer zu entziehen, daß ihnen ein Teil des großartigen und zugleich schrecklichen Schaupiels einer indianischen Jagd entging, deren Gegenstand man leicht selbst werden kann.
Diese weiten, eben noch so öden Savannen hatten sich plötzlich in eine Szene voll Verwirrung und Lärm verwandelt. Der halb zu Tode gejagte Hirsch, der gezwungen war, das Ufer wieder zu ersteigen, setzte seine windschnelle Flucht fort, während die durch ihre Anstrengungen gierig gemachten Wölfe ihn heulend verfolgten. Die wilden Pferde flohen vor den Indianern, deren Geheul dem der reißenden Tiere nichts nachgab, und beschrieben weite Kreise, um der Lanze oder dem Lasso zu entgehen. Zahlreiche Echos wiederholten das Bellen der Wölfe und das verwirrende, schreckliche Geheul der Apachen.
Beim Anblick Fabians, der mit funkelndem Auge all diesen geräuschvollen Bewegungen folgte, ohne, wie es schien, sich über die Gefahr zu beunruhigen, der er zum erstenmal gegenüberstand, rief Bois-Rosé vergeblich sein Selbstvertrauen zurück, das ihn wohlbehalten aus drohenderen Gefahren als dieser hier gerettet hatte, zumal sie sich nicht sorgen mußten, so leicht entdeckt zu werden. »Ach«, begann er, »das sind Szenen, wie sie die Bewohner der Städte niemals sehen werden. Nur in der Steppe begegnet man ihnen!« Aber seine Stimme zitterte wider seinen Willen, und er schwieg. Er fühlte recht gut, daß er ein Jahr seines Lebens darum gegeben hätte, wenn sein Kind nicht Zeuge davon zu sein brauchte. Eine Ursache zu noch größeren Befürchtungen vermehrte bald noch seine Angst.
Ohne sich äußerlich zu verändern, wurde die Szene noch ernster; ein neuer Spieler – ein Spieler, dessen Rolle kurz, aber schrecklich sein sollte – war eben aufgetreten. Es war ein Reiter, den die drei Freunde an seinem Anzug schaudernd als einen Weißen erkannten, für einen Christen wie sie selbst. Der Unglückliche, der plötzlich bei einer Schwenkung der indianischen Jagd entdeckt wurde, war nun seinerseits Gegenstand einer ausschließlichen Verfolgung geworden. Die wilden Pferde, die Wölfe, der Hirsch waren im fernen Nebel verschwunden. Es blieben nur noch zwanzig auf allen Punkten eines unermeßlichen Umkreises zerstreute Reiter zurück, in deren Mitte sich der Weiße zu Pferd befand. Einen Augenblick konnte man ihn, allein unter so vielen Feinden, einen Blick verzweiflungsvoller Angst nach allen Punkten des Horizonts werfen sehen. Aber überall waren Indianer – die Seite nach dem Fluß hin
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