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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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es künftig sein wird; und gewiß wird er selten etwas Ähnliches sehen.«
    »Das heißt, er wird in keiner Stadt etwas Ähnliches sehen!« rief der Kanadier ganz begeistert. »Solche Szenen werden ihm Liebe zur Steppe einflößen.« Und der alte Jäger rüttelte sanft den jungen Mann, nachdem er ihn schon vorher gerufen hatte, um ihm selbst ein plötzliches Auffahren beim Erwachen zu ersparen.
    Das Geweih tief auf dem Rücken, den Hals geschwellt, den Kopf zurückgeworfen, um leichter durch die weit geöffneten Nüstern die seinen weiten Lungen nötige Luft einatmen zu können, floh der Hirsch wie ein Pfeil durch die unermeßliche Ebene; hinter ihm lief eine heißhungrige Schar von Wölfen – die einen weiß, die meisten aber schwarz – und verfolgte ihn mit der Schnelligkeit von Kanonenkugeln, die von einer Fläche abprallen.
    Der Hirsch war ihnen sehr weit voraus; aber auf den Sanddünen, die die Savanne bedeckten und sich fast mit dem Horizont vereinigten, konnte das scharfe Auge eines Jägers andere, als Wachen aufgestellte Wölfe unterscheiden, die die Anstrengungen ihrer Gefährten, ihnen den Hirsch zuzutreiben, beobachteten. Das edle Tier schien sie nicht zu sehen oder ihre Gegenwart nicht zu beachten, denn es floh immer nach dieser Richtung hin.
    Als er sich den Schildwachen, die ihm den Weg versperrten, bis auf eine gewisse Entfernung genähert hatte, stand der Hirsch einen Augenblick still. In der Tat war er durch einen Kreis von Feinden, der immer enger um ihn wurde, eingeschlossen, und er stand still, um ein wenig Atem zu schöpfen.
    Plötzlich machte er kehrt, lief den Wölfen entgegen, die ihn in ihren Hinterhalt jagten, und versuchte eine äußerste und letzte Anstrengung, um diese Schar von Feinden zu durchbrechen. Aber er konnte über diesen Haufen heulender Köpfe nicht hinwegsetzen und fiel mitten unter seine Verfolger. Einige rollten zertreten unter seine Füße, zwei oder drei von ihnen beschrieben mit aufgeschlitztem Leib einen Kreis in der Luft. Dann näherte sich das arme Tier, an dessen Sprunggelenk sich ein Wolf festgebissen hatte, mit blutigen Weichen und heraushängender Zunge dem Rand des Flusses, gerade den drei Zuschauern dieser sonderbaren Jagd gegenüber.
    »Das ist schön, das ist prächtig!« rief Fabian, indem er in die Hände klatschte und von jenem Jagdeifer fortgerissen wurde, der das zarte Gefühl in den Herzen fast aller Menschen schweigen läßt.
    »Ist das nicht schön?« sagte seinerseits der alte Kanadier, ganz glücklich über die Freude Fabians und selbst glücklich in seiner Jagdlust. »Wohlan, mein Sohn, wir werden noch vieles andere der Art sehen. Du siehst hier nur die ärmliche Seite der Steppen Amerikas; wenn du aber erst mit Pepe und mir am Ufer der großen Ströme und der großen Seen des Nordens sein wirst...«
    »Der Hirsch hat sich eben von seinem Feind befreit«, unterbrach ihn Fabian, »und wird sich in den Fluß stürzen!«
    Das Wasser brauste und schäumte beim Sprung des Hirsches; hinter ihm schäumte und brauste es noch zehnmal; dann sah man aus den schäumenden Fluten den Kopf und das Geweih des Hirsches und die Köpfe der Wölfe auftauchen, die ihn gierig mit blutunterlaufenen Augen, heulend vor Hunger und Lüsternheit, verfolgten, während die anderen, die Furchtsamen, wie toll am Ufer hinrannten und ein klägliches Bellen hören ließen.
    Der Hirsch war nicht mehr weit von der Insel entfernt, auf der sich die Zuschauer seines Todeskampfes befanden, als die am Ufer zurückgebliebenen Wölfe plötzlich zu bellen aufhörten, um bestürzt die Flucht zu ergreifen. »Nun? Was ist das?« fragte Pepe. »Woher kommt dieser panische Schrecken?«
    Der gewesene Grenzsoldat hatte seine Frage noch nicht beendet, als das Schauspiel, das sich plötzlich seinen Augen darbot, selbst die Antwort darauf gab.
    »Bückt euch! Bückt euch! Um Gottes willen nieder hinter das Schilf!« sagte er, indem er mit gutem Beispiel voranging. »Die Indianer jagen ebenfalls!«
    In der Tat erschienen jetzt furchtbarere Jäger auf diesem weiten Tummelplatz, der allen, die in diese herrenlosen Steppen kamen, offenstand.
    Etwa zwölf von den wilden Pferden, die der Kanadier und Pepe ihren Durst löschen gesehen hatten, galoppierten bestürzt durch die Ebene. Indianische Reiter, die ohne Sattel auf ihren Pferden saßen, um diese schneller zu machen, und die Knie fast bis zum Kinn heraufgezogen hatten, um ihnen ganz freien Lauf zu lassen, sprengten hinter den erschreckten Tieren her.

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