Der Waldläufer
und Schilf. Habt ihr gezählt, wie viele Büchsen die Indianer haben?«
»Sieben, wenn ich nicht irre«, antwortete der frühere Grenzjäger.
»Es sind also zehn unter ihnen, vor denen man sich weniger zu fürchten braucht. Laßt sehen; diese Hunde können uns auf diesem Floß weder von der rechten noch von der linken Seite angreifen, da sie dem Strom folgen müssen. Man braucht sich also nur auf einen Angriff von den beiden Ufern her gefaßt zu machen, denn vielleicht haben sie einen Umweg gemacht, um über den Fluß zu setzen und uns zwischen zwei Feuer zu nehmen.«
Die dem Ufer, auf dem die indianischen Krieger erschienen waren, entgegengesetzte Seite war hinreichend durch ungeheure Wurzeln, die wie spanische Reiter oder Schanzpfähle emporstarrten, gedeckt; aber die Seite, auf der der Angriff wahrscheinlich wieder beginnen würde, war nur von einer dichten, aber wenig haltbaren Einfassung von Schilf und Weidenschößlingen umgeben. Dank der nicht gewöhnlichen Kraft seiner Arme konnte der Kanadier mit Pepes Hilfe von den beiden äußersten Enden der Insel, die stromaufwärts und stromabwärts lagen, einige große trockene Zweige und kürzlich erst angeschwemmte Baumstämme abreißen. Einige Minuten reichten für die beiden geschickten Jäger aus, die schwächste und bedrohteste Seite mit einer groben, aber festen Verschanzung zu versehen, die den Verteidigern der Insel mehr als eine tödliche Wunde ersparen konnte.
»Siehst du, Fabian«, sagte Bois-Rosé, »hinter diesen Baumstämmen wirst du ebenso sicher liegen als in einer Festung von Steinen. Du bist nur den Kugeln ausgesetzt, die vielleicht vom Gipfel der Bäume am Ufer aus auf dich abgeschossen werden könnten; aber ich werde dahin sehen, daß keiner dieser eingefleischten Teufel den Gipfel erreicht.« Der Kanadier rieb sich die Hände vor Vergnügen, daß er zwischen Fabian und dem Tod eine genügende Schranke erbaut hatte, und bezeichnete ihm seinen Posten hinter der am besten befestigten Stelle. »Hast du wohl bemerkt, Pepe«, fragte er, »wie bei jeder Anstrengung, die wir machten, um einen Zweig oder einen Holzblock abzureißen, die Insel bis auf den Grund erzitterte?«
»Jawohl«, sagte Pepe; »man hätte glauben können, sie würde sich von ihrem Grund losreißen und mit dem Strom fortschwimmen.«
Die beiden Jäger fühlten jedoch, daß der Augenblick der Gefahr herannahe und der Waffenstillstand zu Ende ginge, um einem langen, tödlichen Kampfplatz zu machen. Der Kanadier empfahl darum seinen beiden Gefährten, ihre Munition zu sparen; er gab Fabian einige Unterweisungen, sicherer zu zielen; er drückte aufgeregt die Hand des Spaniers, der den Druck schweigend erwiderte; dann schloß er Fabian mit stürmischer Zärtlichkeit an sein Herz wie an dem Tag, wo er bei dem Seegefecht von ihm getrennt wurde. Nachdem dieser Tribut der menschlichen Schwäche dargebracht war, begaben sich die Verteidiger der Insel mit einem Gleichmut auf ihre Posten, wie ihn kein Indianer in höherem Maße gezeigt haben würde.
Einige Augenblicke vergingen, in denen der stockende Atem des Verwundeten, das Plätschern des Wassers gegen das Floß, das seinem Lauf hindernd entgegenstand, das einzige Geräusch war, das die tiefe Stille der Natur zu der Zeit unterbricht, wenn die Sonne eben untergehen will.
Die Oberfläche des Flusses, der Gipfel der am Ufer wachsenden Zitterpappeln, die Ufer selbst und ihre Schilfbüsche – nichts entging der aufmerksamen Beobachtung der Jäger, denn die Nacht mit dem Hinterhalt in ihrem Gefolge brach schnell herein.
»Das ist die Stunde, wo die Dämonen der Nacht ihre Schlingen legen«, sagte Bois-Rosé ernst; »die Stunde, wo diese menschlichen Jaguare umherstreifen und nach Beute suchen. Sie sind es, von denen die Heilige Schrift hat reden wollen.«
Niemand antwortete auf diese Worte des Kanadiers, die eher ein laut ausgesprochener Gedanke waren als eine Warnung, auf der Hut zu sein. Unterdessen wurde der Schatten nach und nach dichter. Die am Ufer wachsenden Gesträuche fingen an, die abenteuerlichen Formen anzunehmen, die das Ungewisse Licht der Dämmerung den Gegenständen auf freiem Feld verleiht. Das Grün der Bäume erhält eine schwarze Färbung; aber die Gewohnheit hatte den beiden Jägern – dem Kanadier und dem Spanier – das durchdringende Auge der Indianer verliehen, und nichts konnte bei der Wachsamkeit, die sie entfalteten, ihre geübten Sinne täuschen.
»Pepe«, begann der Jäger mit leiserer Stimme, wie wenn
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