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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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gesagt hatte, zerrissen indianische Kugeln die Blätter auf beiden Seiten der Weste und der Mütze; sie trafen aber weder Kanadier noch seine Gefährten, die sich links und rechts zurückgezogen hatten.
    Der Jäger zielte auf einen gabelförmigen Zweig der Zitterpappel, wo sich ein roter Punkt zeigte, der jedem anderen Auge als eines von jenen rötlichen Herbstblättern erschienen wäre. Der Schuß krachte noch, als ein Indianer wie ein Apfel, der von einer großen Schloße getroffen ist, von Zweig zu Zweig herunterstürzte. Ein Geheul antwortete diesem trefflichen Schuß des Kanadiers und hallte so furchtbar wider, daß Nerven von Eisen und Stahl dazu gehörten, um beim Klang dieser ohrenzerreißenden Töne nicht vor Schreck zusammenzufahren. Der Verwundete selbst, den die aufeinanderfolgenden Schüsse nicht hatten aufwecken können, schüttelte für einen Augenblick seine Lethargie ab und murmelte mit zitternder Stimme: »Virgen de los Dolores! Sollte man nicht meinen, eine Schar Tiger heulte in der Dunkelheit? Heilige Jungfrau, erbarme dich meiner!«
    »Dankt ihr vielmehr!« unterbrach ihn der Kanadier. »Die Schelme könnten mit ihrem Geheul, das sie einer nach dem anderen ausstoßen, wohl einen Neuling wie Euch täuschen, aber nicht einen alten Waldläufer. Ihr habt doch schon abends die Schakale heulen und einander antworten gehört, als ob sie zu Hunderten dagewesen wären, und oft sind es nur drei oder vier. Die Indianer machen es wie die Schakale, und ich stehe dafür, daß sich jetzt nicht mehr als zwölf hinter diesen Bäumen befinden. Ach, wenn ich sie doch dahin bringen könnte, durch das Wasser zu waten! Nicht einer von ihnen sollte in sein Dorf zurückkehren, um die Nachricht von ihrer Niederlage zu überbringen.«
    Als ob ein plötzlicher Gedanke durch seinen Kopf führe, ließ Bois-Rosé seine Gefährten sich auf den Rücken legen. Die Ufererhöhungen der Insel und die Baumstämme boten ihnen hinreichenden Schutz, solange sie nur platt auf der Erde lagen.
    »Wir sind sicher, solange wir in solcher Stellung bleiben«, fuhr er fort. »Es handelt sich nur darum, die Gipfel der Bäume im Auge zu behalten; nur von da aus können sie uns treffen. Laßt uns nur in dem Fall schießen, daß einige auf die Weidenbäume klettern; sonst wollen wir tun, als ob wir getötet wären. Die Schelme werden ohne unsere Skalpe nicht zurückkehren wollen und endlich doch den Entschluß fassen, herüberzukommen.«
    Dieser Plan schien dem Jäger vom Himmel eingeflößt worden zu sein, denn kaum lagen sie ausgestreckt auf dem Boden, als ein Hagel von Kugeln und Pfeilen die Schilfeinfassungen durchlöcherte und zerriß, die Zweige zerschmetterte, hinter denen sie sich eine Minute vorher befunden hatten; aber da er in horizontaler Richtung vorübersauste, traf er sie nicht. Der Kanadier riß seine Mütze und seine Weste ungestüm herab, als ob er selbst unter den Kugeln seiner Feinde gefallen wäre, und das tiefste Stillschweigen herrschte nach dieser scheinbar mörderischen Salve auf der Insel.
    Mit Triumphgeschrei nahmen die Indianer dieses Schweigen auf und unterbrachen es nur einen Augenblick durch einen neuen Kugelregen. Aber auch diesmal blieb die Insel stumm und düster wie der Tod.
    »Steigt da nicht schon wieder einer von diesen Hunden auf jene Weide?« fragte Pepe.
    »Ja; wir wollen aber sein Feuer aushalten, ohne uns zu rühren – als ob wir tot wären. Wir müssen es darauf ankommen lassen. Dann wird er herabsteigen und seinen Gefährten verkünden, daß er auf dem Boden die vier Bleichgesichter gezählt hat«, meinte Bois-Rosé.
    Trotz der Gefahr, die in dieser Kriegslist lag, wurde der Vorschlag Bois-Rosés angenommen; jeder blieb unbeweglich auf der Erde liegen und beobachtete nicht ohne Beklommenheit alle Bewegungen des Indianers. Mit außerordentlicher Vorsicht stieg der rote Krieger von einem Zweig zum anderen und kam endlich an einen Punkt, von wo aus er das Innere der schwimmenden Insel übersehen konnte.
    Es war noch hell genug, um auch nicht eine Bewegung des Indianers aus den Augen zu verlieren, als die Blätter ihn nicht mehr ganz bedeckten. Nachdem der Indianer endlich die gewünschte Höhe erreicht hatte, kauerte er auf einem großen Ast nieder und streckte den Kopf vorsichtig heraus. Der Anblick der auf dem Boden der Insel ausgestreckten Leichname schien ihn nicht zu überraschen. Vielleicht argwöhnte er jedoch eine List, denn mit einer Kühnheit, die durch den Tod eines seiner Gefährten auf

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