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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Fluß emporsteigenden Dünste nach und nach immer mehr und schlossen sich um die Insel immer enger zusammen. Die Ufer des Flusses schienen sich immer weiter zu entfernen; endlich verschwanden sie ganz, und bald glänzten die Feuer mitten im wallenden Nebel nur noch wie undeutliche, blasse Lichtpunkte unter dem Schattenriß der in Nebel gehüllten Bäume.
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    Werfen wir nun einen raschen Blick auf das Ufer des Flusses, das der Schwarze Falke besetzt hatte.
    Die von den Indianern auf beiden Ufern angezündeten Feuer warfen auf das Wasser ein so lebhaftes und so weit ausgedehntes Licht, daß die Feinde, die sie so streng belagerten, keinen Versuch machen konnten, sie zu täuschen. Bei jeder Feuerstelle wachte ein Indianer, unterhielt das Feuer und durfte keine Bewegung, die auf der Insel gemacht werden konnte, übersehen.
    Der Schwarze Falke saß auf dem Boden und lehnte sich an den Fuß eines Baumes. Seine von Pepes Kugel zerschmetterte Schulter war mit Lederstreifen verbunden; auf seinem Gesicht lag der Ausdruck befriedigter Grausamkeit. Was den Schmerz anlangt, den seine Wunde ihm verursachte, so verschmähte er es wie jener Philosoph des Altertums, der den Schmerz entweder leugnete oder wirklich gar nicht kannte, irgendein Gefühl davon laut werden zu lassen. Seine funkelnden Augen richteten sich ständig auf die dunkle Masse der Insel, auf der, wie er glaubte, die drei Männer, nach deren Blut er so sehr dürstete, schrecklichen Ängsten preisgegeben seien.
    Während der ersten Stunden der Nacht konnten die Indianer leicht alles überwachen. Aber in dem Maße, als der Nebelschleier die Insel immer dichter umhüllte, wurde der Lichtkreis, den der Glanz des Feuers über den Fluß verbreitete, nach und nach immer enger. Bald wurden die Dünste so dicht, daß die Wachen zuerst das gegenüberliegende Ufer nicht mehr erblicken konnten; dann sahen sie auch die Feuer dort nicht mehr leuchten; endlich verschwand die Insel im Nebel.
    Der indianische Häuptling fühlte, daß es nötig war, die Wachsamkeit zu verdoppeln. Er rief zwei Krieger heran, auf deren Ergebenheit er rechnen konnte. Dem einen befahl er, über den Fluß zu setzen, dem anderen, am Ufer, auf dem er sich befand, entlangzugehen, um so den Wachen auf beiden Ufern dieselben Befehle und dieselben Drohungen zukommen zu lassen. »Geht«, schärfte ihnen der Häuptling ein, »und sagt denjenigen von meinen Kriegern, die die Bewachung dieser Christen übernommen haben, deren Skalp und Haut ein Schmuck unserer Pferde sein wird, daß jeder von den Söhnen des Waldes vier Ohren haben muß, um die Augen, die der Nebel blendet, zu ersetzen. Sagt ihnen, daß sie in diesem Fall auf die Dankbarkeit ihres Häuptlings rechnen können; daß aber, wenn der Schlaf ihre Ohren taub macht, die Streitaxt des Schwarzen Falken sie zum ewigen Schlaf in das Land der Geister senden wird.«
    Die beiden Boten entfernten sich, um sich ihres Auftrags zu entledigen, und kehrten bald mit der Versicherung zurück, daß der Schwarze Falke auf eine pünktliche Befolgung seiner Befehle rechnen könne.
    Wirklich verdoppelten auch die Wachen ihre Aufmerksamkeit. sie wurden zugleich durch ihren eigenen Haß gegen die weiße Rasse und durch die Aussicht auf eine Belohnung angefeuert. Sie erschraken, im Fall der Schlaf sie überraschte, nicht vor dem Tod – ein Indianer fürchtet ihn selten –, wohl aber vor dem Erwachen in den Jagdgefilden des Landes der Geister, wo ein Krieger die Stirn unter der Schmach beugen muß, wenn er sich vom Schlaf hat überwältigen lassen.
    Es gibt kaum ein Geräusch in der Nacht, das dem bewunderungswürdigen Gehör des Indianers entginge – ebenso wie nur wenige Dinge von ihren scharfen Augen nicht entdeckt werden –, in diesem Fall jedoch dämpfte der Nebel jeden Ton in der Luft und entzog dem Auge die Erscheinung aller äußeren Dinge. Nur die angestrengteste Aufmerksamkeit konnte die Sinne ersetzen, die durch den Nebel und durch die Dunkelheit der Nacht ganz unbrauchbar geworden waren. Mit geschlossenen Augen und offenen Ohren standen die indianischen Krieger unbeweglich neben dem Feuer; sie standen, um den Schlaf, den die Natur gebieterisch forderte, von sich abzuschütteln. Nur warf jeder dann und wann einen Baumzweig in die Glut, um sie wiederzubeleben, und nahm darauf seine schweigende, aufmerksame Stellung wieder ein.
    So verfloß ein ziemlich langer Zeitraum, währenddessen an den Ufern wie auf der Insel das schwache Murmeln eines fernen Wasserfalls und

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