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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Kanadier.
    »Ich höre«, erwiderte der Indianer.
    »Wenn Ihr bei der Ehre eines Kriegers, bei den Gebeinen Eurer Väter schwören wollt, meine drei Gefährten unverletzt ziehen zu lassen, so will ich hinüberkommen – ganz allein, ohne Waffen – und Euch meinen zuckenden Skalp auf meinem Kopf überbringen. Das wird ihn in Versuchung führen«, schloß Bois-Rosé leiser.
    »Aber bist du toll geworden, Bois-Rosé?« rief Pepe, wie ein verwundeter Tiger aufspringend.
    Fabian stürzte auf den Kanadier zu. »Beim ersten Schritt, den Ihr nach den Indianern hin tut, durchbohre ich mich mit diesem Dolch!« sagte der junge Mann heftig.
    Der rauhe Jäger fühlte, wie sein Herz sich beim Klang dieser beiden Stimmen öffnete, die er so sehr liebte. Der Indianer hatte nicht geantwortet und bedachte sich ohne Zweifel. Ein kurzes Schweigen herrschte einen Augenblick lang, wurde aber bald von der Antwort des Indianers unterbrochen.
    »Der Schwarze Falke will, daß der Weiße aus dem Norden sein Leben von ihm fordert, und er fordert den Tod. Sie verstehen einander nicht. Mein Wille ist folgender: Der Mann aus dem Norden verlasse seine Gefährten, und ich schwöre bei der Ehre eines Kriegers, bei den Gebeinen meiner Väter, daß sein Leben sicher ist; aber nur sein Leben allein – die drei anderen müssen sterben!«
    Bois-Rosé würdigte dieses Anerbieten, das noch schimpflicher war als das, sich mit ihm gegen die Mexikaner zu verbinden, keiner Antwort.
    Der indianische Häuptling wartete also vergeblich, daß der Kanadier seine Vorschläge annahm oder zurückwies. Er fuhr darauf fort: »Bis zu ihrer Todesstunde hören die Weißen jetzt die Stimme eines Häuptlings zum letztenmal. Meine Krieger haben sich auf allen vier Seiten der Insel am Fluß aufgestellt. Indianisches Blut ist geflossen; es muß gerächt werden – das Blut der Weißen muß ebenfalls fließen. Aber der Indianer will dieses Blut nicht, wenn es von der Hitze des Kampfes durchglüht ist; er will es, wenn der Schrecken es zu Eis erstarrt, wenn der Hunger es spärlich gemacht hat. Er wird die Weißen lebendig fangen – aber erst, wenn er sie in seinen Krallen hält; nicht mehr als Krieger, sondern als verhungerte Hunde, die nach einem dürren Büffelknochen heulen. Dann wird der Indianer sehen, was in den Herzen von Männern wohnt, die durch Entbehrung und Furcht zu Hunden geworden sind; er wird aus ihrer Haut einen Sattel für sein Schlachtroß machen, und jeder ihrer Skalpe wird an seinen Bügeln und am Sattelriemen wehen als ein Zeichen seiner Rache. Meine Krieger werden die Insel, wenn es nötig ist, vierzehn Tage, und ebenso viele Nächte einschließen, um den Auswurf der weißen Rasse gefangenzunehmen!« Nach diesen schrecklichen Drohungen verschwand der Indianer hinter den Bäumen.
    Aber Pepe wollte den Indianer nicht glauben lassen, daß er sie eingeschüchtert habe; er rief darum so kaltblütig, als es der in ihm brausende Zorn gestattete, hinüber: »Du Hund, der du nur bellen kannst – die Weißen verachten deine eitlen Drohungen; der Anblick ihres Skeletts allein könnte dich im Schlaf stören! Du Schakal, du schmutziger Iltis, ich verachte dich! Ich ...« Die Wut erstickte seine Stimme, und er ergänzte die Worte, die er nicht mehr hervorbringen konnte, dadurch, daß er dem Schwarzen Falken die verächtlichste Gebärde machte, die ihm einfiel.
    Ein schallendes Gelächter begleitete diese Antwort Pepes, den diese beleidigende Gebärde ein wenig beruhigt hatte und der, zufrieden damit, das letzte Wort gehabt zu haben, sich ganz getröstet niederlegte.
    Bois-Rosé sah in den Drohungen des Indianers nur die Ablehnung seines heroischen Opfers. »Ach«, seufzte er, »wärt ihr nicht dazwischengetreten, so hätte ich noch alles zur allgemeinen Zufriedenheit beigelegt. Nun ist es zu spät; sprechen wir nicht mehr davon.« Der Mond war jetzt untergegangen, der ferne Lärm des Gewehrfeuers hatte sich verloren; Schweigen und Dunkelheit herrschten überall, und die drei Freunde fühlten um so lebhafter, daß es ihnen ohne diese Verstärkung der Indianer leicht gewesen wäre, das entgegengesetzte Ufer zu erreichen und selbst den verstümmelten Goldsucher mitzunehmen. Dieser lag immer noch, unempfindlich für alles, was um ihn herum vorging, in seinem todesähnlichen Schlaf.
    »Wir haben also vierzehn Tage vor uns«, sagte Pepe, indem er zuerst das traurige Schweigen brach, das unter ihnen herrschte. »Freilich haben wir keine Lebensmittel. Wahrhaftig, wir werden

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