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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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das Rauschen des Schilfs, das sich unter dem Andrang des Wassers beugte, die einzigen Töne waren, die sich hören ließen.
    Der indianische Häuptling war auf dem linken Ufer. Die Nachtluft verschlimmerte die Wunde an seiner Schulter und vermehrte noch Haß und Groll in seinem Herzen. Der Schein des Feuers, das neben dem Baum, an dem er lehnte, angezündet war, beleuchtete seine trotz der schwärzlichen Haut vom Blutverlust bleichen Züge. Sein Gesicht war mit gräßlichen Malereien bedeckt und vom Schmerz, den er unterdrückte, verzerrt; seine Augen blitzten mit wildem Glanz und gaben ihm Ähnlichkeit mit einem blutdürstigen Götzenbild aus einem rohen Zeitalter. Bald jedoch schlossen sich trotz der Herrschaft, die ein Indianer über seine Sinne auszuüben vermag, seine schlaftrunkenen Augenlider, und eine fast unüberwindliche Betäubung bemächtigte sich des Schwarzen Falken. Nach einigen Augenblicken verfiel er in einen so tiefen Schlaf, daß er nicht hörte, wie ein Mokassin die trockenen Zweige erkrachen ließ, und nicht sah, daß ein Indianer seines Stammes sich ihm näherte.
    Unbeweglich und gerade wie ein Bambusrohr wartete ein Apachenläufer, mit Blut bedeckt, die Nasenflügel geschwellt, die Brust keuchend wie nach einem langen Lauf, zwei Schritte von dem eingeschlafenen Indianer, bis der gefürchtete Häuptling, vor dem er stand, die Augen öffnen und ihn befragen würde. Als der Läufer aber bemerkte, daß der Kopf des Häuptlings sich immer mehr auf die Brust neigte, entschloß er sich, ihm seine Gegenwart bemerkbar zu machen. In hoch klingenden Kehltönen sprach er folgende Worte: »Wenn der Schwarze Falke seine Augen öffnen will, so wird er aus meinem Mund eine Botschaft hören, die den Schlaf weithin verjagen wird.«
    Der Indianer hob seine Lider beim Ton der Stimme, die in seine Ohren klang, und eine Anstrengung seines Willens entfernte plötzlich den Schlaf, dem er unterlegen war. Voll Scham, daß ein Häuptling wie ein ruhmloser Krieger im Schlaf überrascht worden war, glaubte der Indianer, sich entschuldigen zu müssen.
    »Der Schwarze Falke hat viel Blut verloren; er hat genug verloren, daß die Sonne des nächsten Tages es nicht auf der Erde trocknen kann; sein Körper ist schwächer als sein Wille.«
    »So ist der Mensch«, erwiderte der Bote spruchreich.
    Der Schwarze Falke nahm wieder das Wort: »Ohne Zweifel erhalte ich eine wichtige Botschaft, da die Pantherkatze den schnellsten ihrer Läufer gewählt hat, sie mir zu überbringen.«
    »Die Pantherkatze wird keine Botschaften mehr senden«, antwortete der Indianer mit seiner tiefen Stimme.
    »Die Lanze eines Weißen hat seine Brust durchbohrt, und der Häuptling jagt jetzt mit seinen Vätern im Land der Geister.«
    »Was liegt daran! Er ist siegend gefallen; er hat, ehe er starb, gesehen, wie die weißen Hunde sich in der Ebene zerstreuten.«
    »Er ist besiegt gefallen; die Apachen haben im Gegenteil fliehen müssen, nachdem sie ihren Häuptling und fünfzig berühmte Krieger verloren!«
    Es fehlte nicht wenig daran, so wäre der Schwarze Falke trotz des brennenden Schmerzes seiner Wunde und ungeachtet der Herrschaft, die ein indianischer Häuptling über sich selbst haben muß, bei dieser unerwarteten Nachricht auf die Füße gesprungen. Er hielt aber an sich und erwiderte fest, wenngleich mit zitternden Lippen: »Wer sendet dich dann also zu mir, du Bote mit so traurigen Nachrichten?«
    »Krieger, die eines Häuptlings bedürfen, um ihre Niederlage wiedergutzumachen. Der Schwarze Falke war nur der Häuptling einer Abteilung; heute ist er der Häuptling eines ganzen Stammes.«
    Befriedigter Stolz leuchtete in den schwarzen Augen des Indianers. Erstens wuchs sein Ansehen, und dann bewies auch die Niederlage, von der man ihn benachrichtigte, die Weisheit des Rates, den er gegeben und den die Häuptlinge zurückgewiesen hatten. »Wenn die Büchsen aus dem Norden mit denen unserer Krieger vereinigt gewesen wären, so würden die Weißen aus dem Süden nicht gesiegt haben.« Dann aber erinnerte er sich an die beleidigende Weise, mit der die beiden Jäger seine Vorschläge verworfen hatten; ein Blitz des Hasses mischte sich mit dem stolzen Blick seiner Augen, und er begann abermals, indem er mit dem Finger auf seine Wunde zeigte: »Was kann ein verwundeter Häuptling tun? Seine Füße versagen ihm den Dienst; kaum wird er sich auf seinem Pferd im Sattel halten können.«
    »Man wird ihn daran festbinden«, antwortete der Indianer. »Ein

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