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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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retten können.« Mit diesen Worten erhob sich der Läufer und verlor sich bald im Nebel aus den Augen des Schwarzen Falken, die immer fest auf die Insel gerichtet waren. – Dort wenigstens waren edlere Leidenschaften tätig. Während das feierliche Schweigen der Nacht die ganze Natur ringsumher deckte, floh der Schlaf auch die Augenlider der drei Jäger.
    Wenn es entscheidende Augenblicke im Leben gibt, wo auch das Herz der bravsten Männer schwach wird, so gehörte die gegenwärtige Lage gewiß zu solchen Augenblicken. Die Gefahr war schrecklich und unvermeidlich und bot außerdem weder die Aussicht, in der Hitze des Kampfes zu fallen, noch die Hoffnung, sein Leben teuer zu verkaufen – eine Hoffnung, die wie ein letzter Trost erscheint.

36 Der Waldläufer
    Umringt von Feinden, die hinter den Bäumen am Ufer vor den Kugeln der drei Jäger gedeckt standen, konnten diese letzteren nicht hoffen, deren Wut wie am vorhergehenden Tag dadurch anzustacheln, daß einige von ihren Kugeln niedergestreckt wurden. Bois-Rosé und der Spanier kannten die unversöhnliche Hartnäckigkeit der Indianer zu gut, als daß sie noch erwartet hätten, der Schwarze Falke würde, einer erfolglosen Belagerung müde, seinen Kriegern eine Erwiderung ihrer Angriffe nicht verwehren und ihnen somit die Möglichkeit lassen, durch ein mörderisches Gewehrfeuer das Leben zu verlieren.
    Ein solcher Soldatentod auf dem Schlachtfeld wäre dem Haß des Apachenhäuptlings zu sanft vorgekommen. Er wollte seine Feinde, an Leib und Seele durch den Hunger entkräftet, lebendig haben.
    Unter dem Eindruck dieser traurigen Gedanken sprachen die drei Jäger kein Wort mehr, aber sie fügten sich viel eher in ihr Schicksal, als daß sie daran gedacht hätten, den unglücklichen Verwundeten zurückzulassen und einen Fluchtversuch nach einem Ufer des Stromes zu machen. Fabian war ebenso zum Sterben entschlossen wie seine Gefährten; er war in seinen Hoffnungen betrogen; eine tiefe Mutlosigkeit hatte sich seiner bemächtigt, und darum hatte auch der Tod für ihn nichts Schreckliches mehr. Nichtsdestoweniger aber hätte sein heißes Blut einen raschen Tod mit den Waffen in der Hand dem schmachvollen und langsamen, der sie alle am Marterpfahl der Indianer erwartete, vorgezogen. Er entschloß sich zuerst, die Totenstille zu brechen, die mitten im nächtlichen Nebel über der Insel zu schweben schien.
    Die tiefe Ruhe auf dem Fluß und auf seinen Ufern war in den Augen der beiden erfahrenen Jäger – des Kanadiers und des Spaniers – nur ein um so gewisseres Zeichen vom unerschütterlichen Entschluß ihrer Feinde. Aber Fabian erschien sie wie ein beruhigendes Zeichen, wie eine Gunst des Himmels, die man nützen müsse. »Alles schläft jetzt um uns«, sagte er; »nicht nur die Indianer auf dem Ufer, sondern alles, was Leben hat, in den Wäldern und in der Steppe; selbst der Fluß scheint langsam zu strömen. Seht nur, der Widerschein der Feuer erstirbt in ziemlich weiter Entfernung von uns. Wäre dies nicht der Augenblick, einen Fluchtversuch auf dem einen oder anderen Ufer zu machen?«
    »Die Indianer schlafen?« unterbrach ihn Pepe mit Bitterkeit. »Ja, wie dieses Wasser, das stehenzubleiben scheint, aber nichtsdestoweniger seinen Lauf bis zu den unbekannten Abgründen fortsetzt, in denen es sich verliert. Ihr könnt nicht drei Schritte im Fluß tun, ohne zu sehen, wie die Indianer sich euch nachstürzen, gerade wie ihr die Wölfe sich zur Verfolgung des Hirsches habt hineinstürzen sehen. Hast du nichts Besseres vorzuschlagen, Bois-Rosé?«
    »Nein«, erwiderte der Kanadier kurz, während seine Hand still die Hand Fabians suchte. Dann zeigte er mit der anderen auf den Verwundeten, der sich immer noch im Schlaf auf seinem Schmerzenslager hin und her warf. Diese Gebärde antwortete allen Einwürfen Fabians.
    »Wenn wir keine andere Aussicht haben«, fuhr dieser fort, »so bliebe uns doch wenigstens die, ehrenvoll Leib an Leib zu sterben, wie wir haben sterben wollen. Wenn wir siegen, so können wir diesem Unglücklichen, der nur uns allein zu seiner Verteidigung hat, zu Hilfe kommen. Wenn wir fallen, würde uns dann wohl selbst Gott, wenn wir vor ihm erscheinen, den Vorwurf machen können, daß wir das Leben des Mannes, den er unserem Schutz anvertraut hat, geopfert hätten, während wir doch selbst das unsrige für die Rettung aller aufs Spiel setzen?«
    »Gewiß nicht«, antwortete Bois-Rosé; »aber hoffen wir noch auf den Gott, der uns durch ein Wunder wieder

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