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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Abgesandten, zeigte mit dem Finger auf den Verband seiner Schulter und fuhr fort: »Die Rache spricht zu laut in mein Ohr; es kann keine andere Stimme als diese vernehmen.«
    Das war eine neue Bestätigung seiner abweisenden Antwort, die der Häuptling dem Abgesandten gab. Dieser führte schweigend den Schwarzen Falken wieder zu seiner Feuerstelle. Dennoch beeilte der Läufer trotz dieser zweiten Andeutung seinen Aufbruch nicht; sein Auge schien die dichte Nebelwolke, die auf dem Fluß lagerte, durchdringen zu wollen. Der Wind wehte etwas lebhafter vor Sonnenaufgang und öffnete zuweilen breite Durchblicke darin. Man sah leicht, daß die schwarze Nebelmasse von einem Augenblick zum anderen zerreißen mußte. Soviel Aufmerksamkeit aber auch der Indianer auf seine Prüfung verwandte, hätte er doch durch diese leichten Stellen hindurch die vom Häuptling bezeichnete Insel nicht entdeckt.
    Eine Ahnung, daß die Wachsamkeit der Späher aus irgendwelchen unbegreiflichen Gründen getäuscht worden sein könnte, durchflog plötzlich die Seele des Abgesandten, denn in seinem Blick leuchtete eine schlecht verhehlte Freude. »Ich habe gesagt, daß ich erst beim Aufgang der Sonne aufbrechen werde.« Dieser Gedanke war dem indianischen Läufer infolge des plötzlich entstandenen Argwohns gekommen.
    Das erste dämmernde Licht wurde bald bestimmter. Nebelwogen rollten übereinander wie der von einer Büffelherde aufgewirbelte Staub. Dann erglänzte der graue Schleier von den noch schrägen Strahlen der Sonne im rötlichen Feuer des Opals. Dann bebte die Nebelwand wie ein ungeheurer Vorhang, von dem bald jeder Sonnenstrahl, jedes Säuseln der Luft ein graues Stückchen abriß.
    Kaum noch einige Dunstflocken tanzten auf der azurenen Decke des Flusses, als der Schwarze Falke einen schrecklichen Schrei getäuschter Wut ausstieß. Die Insel war vollständig verschwunden; die Stelle, wo sie sich am Abend zuvor befunden hatte, war glatt wie ein Spiegel; auch nicht ein Schilfbusch von ihrem Rand, auch nicht eine grüne ausgeschlagene Wurzel ragte über die Oberfläche des Stromes.
    »Die Hand des Bösen Geistes hat sich über den Fluß gebreitet«, sagte der indianische Läufer. »Er hat nicht gewollt, daß die weißen Hunde, die seine Kinder sind, den Tod durch die Hand eines berühmten Häuptlings wie des Schwarzen Falken finden sollen.«
    Aber der Indianer hörte nicht auf die erkünstelten Beileidsbezeugungen des Gesandten, der sich im Grund seines Herzens zu dem Verschwinden der Flüchtlinge Glück wünschte. Diesmal hatte der wilde Häuptling sich allein auf seine Füße erhoben, sein Auge war verstört, sein Gesicht bleich trotz der Tätowierung und der roten Malerei; die geschwungene Streitaxt in der Hand, ging er schwankend auf den Wachtposten los, der am nächsten im Bereich seines Armes war.
    Aber der bedrohte indianische Krieger machte keine Bewegung. Er blieb mit vorgebeugtem Kopf und halberhobenem Arm stehen, ganz in der Haltung eines Mannes, der lauscht, als ob er dadurch zeigen wollte, daß er selbst bis zu diesem schrecklichen Augenblick nicht aufgehört hätte, treu zu wachen.
    Die Streitaxt jedoch war im Begriff, auf seinen Kopf zu fallen, als der Arm des Gesandten den des Häuptlings aufhielt. »Die scharfen Sinne des Indianers haben ihre Grenze«, sagte er; »er kann nicht das Gras wachsen hören; sein Auge konnte nicht durch die Wolken dringen, die den Fluß bedeckten. Der Schwarze Falke hat getan, was möglich war, er hat keine Vorsichtsmaßnahmen vernachlässigt. Der Geist oben hat nicht gewollt, daß ein Häuptling seine Zeit damit verliere, das Blut von drei Weißen fließen zu lassen, weil er ihm vorbehalten hat, es stromweise dort unten zu vergießen.« Der Indianer zeigte mit dem Finger in die Richtung nach dem mexikanischen Lager.
    Der Schwarze Falke war erschöpft durch die Anstrengung, die er gemacht hatte, und durch die Wut, die ihn verzehrte; er konnte nicht antworten. Seine Wunde hatte sich wieder geöffnet, und sein Blut floß abermals durch den ledernen Verband. Er wankte, seine Knie beugten sich, und der Abgesandte war genötigt, ihn auf das Gras niederzulegen, wo er schließlich das Bewußtsein verlor.
    Die Zeit, die bis zu dem Augenblick verfloß, wo der Schwarze Falke wieder zu sich kam, rettete die vier Flüchtlinge, die sonst von den Apachen mitten auf ihrem langsamen Marsch im Fluß gewiß noch eingeholt worden wären.
    Ein langes Geheul, das vom entgegengesetzten Ufer herüberscholl, sagte dem

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