Der Waldläufer
– es den ganzen folgenden Tag hindurch nicht wagen würden, ihre schützende Wagenburg zu verlassen, und daß er somit lange Stunden vor sich hatte, wo er einen Teil der Schätze des Val d'Or einsammeln und sie nach seiner Rückkehr unter den Schutz seiner Gefährten stellen konnte. Endlich bedachte er auch noch, daß, wenn die ganze Expedition das Val d'Or in Besitz genommen hatte, er auch als Soldat und als Führer seinen Anteil erhalten mußte. An Vorwänden sollte es ihm schon nicht fehlen, um seine abermalige Abwesenheit zu bemänteln, und somit hätte er noch reichlich die Kenntnis eines Geheimnisses ausgebeutet, das er schon für eine bedeutende Summe verkauft hatte.
Aber, wie wir gesehen hatten, Cuchillo rechnete ohne das Mißtrauen, das Don Antonio gegen ihn gefaßt hatte. Um seinen Handel mit ihm abzuschließen, war er gezwungen gewesen, ihm so genaue Nachweise über die Lage des Val d'Or zu geben, daß Don Antonio von dem Ort aus, den die Expedition erreicht hatte, sich nicht mehr über den Weg, der eingeschlagen werden mußte, täuschen konnte. Der hatte diese Kenntnis nun Pedro Diaz an dem Abend mitgeteilt, wo sein Mißtrauen durch die längere Abwesenheit Cuchillos wach geworden war. Die Vorsicht wollte es so, sonst hätte wohl die Habgier noch andere dasselbe tun lassen, was der Bandit getan hatte.
Nachdem Cuchillo sich gestellt hatte, als ob er tödlich verwundet sei, und mitten im Lager niedergestürzt war, hatte er sich still und unbemerkt nach der Wagenburg begeben, die von den Indianern nicht umzingelt war, sein Pferd war ihm gefolgt, wie er es dazu schon lange dressiert hatte, und begünstigt von der Dunkelheit, war er nach den Bergen gesprengt, deren Zugänge er kannte. Die Habgier, die glühendste unter seinen Leidenschaften, hatte ihn die Augen über gewisse schwache Seiten eines Plans schließen lassen, dessen Ausführung ohnehin schon großen Gefahren unterlag.
Er war nun nahe daran, seine Treulosigkeit mit Erfolg gekrönt zu sehen; mit gierig funkelnden Augen, das Herz klopfend vor Hoffnung und Furcht, näherte er sich mit verhängten Zügeln dem Val d'Or. Aber wie der Geizige unaufhörlich fürchtet, daß ein unsichtbares verborgenes Auge seinen Schritten nach dem Schatz folgt, den er an einem nur ihm bekannten Ort verscharrt weiß, so setzte er auch zuweilen seinen raschen Lauf aus, um aufmerksam den dumpfen, unbestimmten Tönen der Wildnis zu lauschen. Wenn er dann mit dem Blick die weite Steppe durchforscht hatte, so erkannte er, daß seine Furcht grundlos gewesen sei, und er setzte seinen Weg mit neuem Vertrauen und neuem Eifer fort.
Zuweilen weckte auch der Anblick der Gegenden, die er schon gesehen hatte, düstere Erinnerungen in ihm. Sein Instinkt hatte ihn gut auf denselben Weg geleitet: auf diesem kleinen Hügel hatte er sich mit Marcos Arellanos ausgeruht, dieser Nopal hatte ihnen seine erquickenden Früchte geliefert; sie hatten beide mit geheimnisvollem Schrecken das sonderbare Aussehen der Nebelberge betrachtet.
Cuchillo jagte immer weiter; der Wind pfiff durch sein Haar; sein Pferd wieherte, und dessen schneller Galopp trug den Mörder der Stelle entgegen, wo sein Opfer den Tod unter seinen Stößen gefunden hatte. Der Furcht vor seinen irdischen Feinden folgte nun diejenige, die uns unter dem Mantel der Nacht das Gewissen einflößt, das am Tag wohl eingeschläfert werden kann, des
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Nachts aber um so gewisser erwacht. Die Sträucher, die stachligen Nopals tanzten wie Gespenster vor Cuchillo und streckten die Arme aus, um sich seinem Marsch zu widersetzen. Ein kalter Schweiß benetzte seine Stirn; aber die Habgier war stärker als die Furcht – sie stachelte ihn an wie seine Sporen die Flanken seines Pferdes und trieb ihn blindlings nach dem Val d'Or.
Die Wirklichkeit folgte bald auf seine Visionen, und der Bandit lachte über seinen Schrecken. »Die Gespenster«, sagte er, »sind wie die Alkalden: sie beschäftigen sich niemals mit so armen Teufeln, wie ich bin; aber wenn ich nur zwei oder drei Aroben von diesem Gold aufraffe, so will ich so viele Messen für die Ruhe von Arellanos' Seele lesen lassen, daß er sich Glück wünschen wird, von so freigebigen Händen getötet worden zu sein.«
Cuchillo brach in ein Gelächter aus und spornte sein Pferd zu noch schnellerem Lauf an; dann hielt er nach einigen Minuten ungestümen Rennens wieder an, um zu horchen. Nur sein Pferd atmete schnaubend durch die Nüstern; sonst störte kein Geräusch das Schweigen der
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