Der Waldläufer
rief Cuchillo, der seinen Ohren nicht glauben konnte.
»Habe ich es Euch nicht gesagt?«
»Ihr seid toll!« warfen der frühere Soldat und der Jäger ein. »Der Taugenichts hätte ihn für gar nichts getötet! »Ihr seid ein Gott!« rief Cuchillo. »Und Ihr allein schätzt meine Gewissensangst nach ihrer ganzen Größe. – Wie? Alles Gold?«
»Alles bis auf das kleinste Stückchen«, erwiderte Fabian einfach. »Ich will nichts mit Euch gemein haben; nicht einmal dieses Gold.« Und er gab Cuchillo ein Zeichen.
Der Bandit stürzte, anstatt durch die Hecke von Baumwollstauden zu dringen, zu der Stelle hin, wo er sein Pferd angebunden hatte. Einige Minuten nachher kam er mit seiner Zarapa in der Hand zurück. Er bog die ineinandergeschlungenen Zweige, die das Val d'Or umgaben, auseinander und verschwand bald aus Fabians Augen. –
Die Sonne stand im Mittag. Sie verbreitete ein strahlendes Licht und ließ das im Tal verstreute Gold in tausend Farben leuchten. Ein Schauder lief durch die Adern Cuchillos. Sein Herz pochte beim Anblick dieses gelblichen Lichts, das von dem strahlenden Gold ausging; er glich dem Tiger, der in eine Schafhürde einbricht und nicht weiß, welches Opfer er wählen soll; sein verstörtes Auge flog über die zu seinen Füßen ausgebreiteten Schätze, und wenig fehlte, so hätte er in einem Anfall unsinniger Freude sich in diesen Goldwellen gewälzt wie der zu Tode gehetzte Hirsch im Wasser eines Sees. Dessenungeachtet gab ihm die Stärke der habgierigen Leidenschaften selbst, die in seinem Herzen kochten, bald etwas Kaltblütigkeit zurück. Er breitete seinen Mantel auf den Sand, und da er unmöglich alle Reichtümer des Val d'Or mitnehmen konnte, so warf er einen ruhigeren Blick um sich her. Cuchillo traf seine Wahl mit den Augen.
Während dieser Zeit hatte Diaz, der in einiger Entfernung haltgemacht hatte, fast nichts von dieser Szene verloren. Er hatte das plötzliche Erscheinen Cuchillos bemerkt; er hatte die Rolle, die dieser spielen sollte, geahnt; er hatte den falschen Alarmruf des Banditen gehört – endlich war ihm auch der blutige Schluß des Dramas nicht entgangen. Bis dahin hatte er unbeweglich wie die Statue eines Mausoleums in der Ebene angehalten; er beweinte das Schicksal seines Chefs und die Hoffnungen, die sein Tod vernichtete.
Cuchillo war eben im Val d'Or verschwunden, als die drei Jäger Diaz sich erheben und herankommen sahen. Er näherte sich langsamen Schrittes wie die Gerechtigkeit Gottes, deren Werkzeug er auch sein sollte.
Der Zügel seines Pferdes war um seinen Arm geschlungen und seine Stirn, vom Schmerz verdüstert, gegen die Erde gebeugt. Der Abenteurer warf einen trauervollen Blick auf den Herzog von Armada, der in seinem Blut schwimmend dalag; der Tod hatte den Ausdruck unveränderlichen Stolzes auf seinem Antlitz nicht verwischt.
»Ich tadle Euch nicht«, sagte er. »Ich hätte an Eurer Stelle ebenso gehandelt. Wieviel indianisches Blut habe ich nicht schon vergossen, um meinen Rachedurst zu stillen.«
»Das ist der beste Anblick, den man haben kann«, unterbrach ihn Bois-Rosé, indem er mit der Hand in seine dichten grauen Haare fuhr und einen Blick, der von gleichen Gefühlen zeugte, auf den Abenteurer warf. »Pepe und ich können sagen, daß unsererseits ...«
»Ich tadle also nicht, aber ich weine darüber, daß ich fast vor meinen Augen einen Mann mit festem Herzen, einen Mann, der die Zukunft Sonoras in seiner Hand hielt, habe fallen sehen und daß der Ruhm meines Landes mit ihm gestorben ist.« »Er war, wie Ihr sagt, ein Mann mit festem Herzen – aber mit einem Felsenherzen«, sagte Bois-Rosé. »Gott möge seiner Seele gnädig sein!«
Ein schmerzliches Beben ergriff Fabians Herz.
Diaz fuhr in der Leichenrede des Herzogs von Armada fort: »Er und ich, wir hatten von der Befreiung einer mächtigen Provinz, von Tagen des Glanzes geträumt; weder er noch ich, noch irgend jemand wird sie anbrechen sehen. Ach, warum habe ich nicht an seiner Stelle getötet werden können! Niemand würde jetzt noch daran denken, daß ich nicht mehr am Leben sei! Ein Streiter weniger hätte die Sache, der wir beide dienten, nicht gefährdet; der Tod des Chefs aber hat sie für immer zugrunde gerichtet. Die Schätze, die hier im Sand verborgen sein sollen, waren zur Wiedergeburt Sonoras bestimmt; denn ihr wißt vielleicht nicht, daß nahe bei dieser ...«
»Wir wissen es«, unterbrach ihn Fabian.
»Gut«, antwortete Diaz. »Ich habe mit dieser unermeßlichen
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