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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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bedienen.
    »La, la«, sagte Cuchillo zurückweichend, während Pepe, der geneigter war, dem Mörder Don Antonios zu verzeihen, sich zwischen beide warf. »Ihr seid lebhaft und aufbrausend wie ein wildes Füllen und jeden Augenblick bereit, wie ein Novillo junger Stier die Hörner zu gebrauchen. Die Indianer sind zu sehr beschäftigt, um an uns zu denken. Es war eine Kriegslist, um Euch schneller den ausgezeichneten Dienst zu leisten, den Ihr von mir verlangt habt. Seid doch nicht undankbar; warum es nicht eingestehen? Ihr wart eben noch in betreff Eures Onkels in der größten Verlegenheit, in die jemals ein Neffe geraten ist... Ihr seid gut, edel, großmütig: Ihr hättet es Euer ganzes Leben hindurch bedauert, diesem Onkel nicht verziehen zu haben, während ich den Knoten zerhauen habe. Ich habe die Gewissensbisse auf mich genommen – das ist alles.«
    »Der Schelm hat einen raschen Verstand und eine sichere Hand«, sagte der frühere Grenzjäger.
    »Ja«, erwiderte Cuchillo, offenbar geschmeichelt, »ich bin stolz darauf, kein Dummkopf zu sein und mich auf ein zartfühlendes Gewissen zu verstehen; ich habe Eure Gewissensskrupel auf mich genommen. Wenn ich jemand liebe, so vergesse ich mich immer für ihn, das ist mein Fehler. Als ich sah, daß Ihr mir so edelmütig den Dolchst ..., die Schramme verziehen habt, die ich Euch gemacht hatte, habe ich Euch einen neuen Dienst leisten wollen. Und wahrhaftig, ich habe mein Bestes getan, ihn auszuführen; das übrige muß zwischen meinem Gewissen und mir abgemacht werden.«
    »Ach«, seufzte Fabian, »ich hoffte immer noch, ihm verzeihen zu können.«
    »Was ist dabei zu tun?« unterbrach ihn der frühere Grenzjäger. »Dem Mörder Eurer Mutter zu verzeihen, Don Fabian, wäre eine Feigheit gewesen; einen wehrlosen Mann töten – ich gestehe es zu, selbst nach einem fünfjährigen Aufenthalt im Presidio –, wäre fast einem Verbrechen gleichgekommen. Unser Freund Cuchillo hat uns die Verlegenheit, zu wählen, erspart. Das ist seine Sache. Was denkst du davon, Bois-Rosé?«
    »Mit solchen Beweisen wie denen, in deren Besitz wir sind, würde der Gerichtshof einer Stadt den Mörder zur Strafe der Wiedervergeltung verurteilt haben; die indianische Gerechtigkeitspflege hätte ihn ebensowenig geschont. Gott hat gewollt, daß wir nicht das Blut eines Weißen vergießen sollten. Ich sage wie Pepe, das ist Cuchillos Sache.«
    Vor diesem Ausspruch des alten Jägers beugte sich Fabian, aber immer noch schweigend, als ob er unter den einander widersprechenden Stimmen, die sich in der Tiefe seines Herzens vernehmen ließen, nicht hätte zur Gewißheit kommen können, ob er sich über diese unerwartete Entwicklung freuen oder darüber trauern sollte. Immer jedoch lagerte eine Wolke tiefer Traurigkeit auf seiner Stirn. Er war weniger als seine beiden wilden Begleiter an blutige Szenen gewöhnt und konnte darum nur seufzend ihren unbarmherzigen Entschlüssen zustimmen.
    Während dieser Zeit hatte Cuchillo seine ganze Keckheit wiedergewonnen. Seine Angelegenheiten nahmen die beste Wendung für ihn. Er warf auf die Leiche dessen, der nun nicht mehr sprechen konnte, einen Blick befriedigten Hasses und murmelte halblaut: »Woran hängt doch das Schicksal der Menschen! Vor zwanzig Jahren war mein Leben nur von der Abwesenheit eines Baumes abhängig.« Dann wandte er sich an Fabian: »Es ist also vollständig erwiesen, daß ich Euch einen großen Dienst geleistet habe. Ach, Don Tiburcio, Ihr müßt Euch entschließen, für immer mein Schuldner zu bleiben – aber halt, ich habe da einen Gedanken, Euch die Mittel an die Hand zu geben, Eure Schuld zu bezahlen. Dort liegen unermeßliche Reichtümer, und es handelt sich nur darum, ob Ihr Euch Eures gegebenen Wortes erinnert. Ihr habt es einem Mann gegeben, der – ich wage es zu sagen – sich nicht fürchtet, zum erstenmal für Euch in offenen Zwist mit seinem Gewissen zu geraten.«
    Und Cuchillo, der trotz des Versprechens Fabians, ihm das Gold, den Gegenstand seiner Habgier, zu überlassen, recht wohl wußte, daß Versprechen und Halten zweierlei Dinge sind, erwartete mit Unruhe Fabians Antwort.
    »Ach, es ist wahr! Ich schulde Euch noch den Blutlohn«, sagte Fabian zum Banditen.
    Cuchillo nahm eine beleidigte Haltung an.
    »Wohlan, dieses Blut wird Euch prachtvoll bezahlt werden«, fuhr der junge Mann mit verächtlicher Miene fort. »Aber man soll nicht sagen, daß ich mit Euch geteilt hätte; das Gold dieser Mine gehört Euch!«
    »Alles?«

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