Der Waldläufer
erheben.
Ein Mann in einem von Wasser triefenden, von Schlamm besudelten Anzug kam aus dem Kreis der Baumwollstauden – es war Cuchillo. Der Schelm näherte sich mit unerschütterlicher Ungezwungenheit, obgleich er ein wenig zu hinken schien. Keiner von diesen vier so tief in Gedanken versunkenen Männern schien durch seinen Anblick überrascht zu sein.
»Caramba! Ihr habt mich also erwartet?« sagte er. »Und ich bestand hartnäckig darauf, das unangenehmste Bad zu verlängern, das ich jemals genommen habe, von dem meine Eigenliebe sich gekränkt gefühlt hätte« – Cuchillo erwähnte seinen Ausflug in die Berge mit keinem Wort –; »aber das Wasser dieses Sees ist so eisig kalt, daß ich, um nicht darin vor Kälte umzukommen, noch einer größeren Gefahr getrotzt haben würde, als die ist, wieder mit alten Freunden zusammenzutreffen. Dazu kommt noch, daß ich fühlte, wie sich an meinem Fuß eine Wunde wieder öffnete, die ich dort empfangen hatte ... vor langer, sehr langer Zeit... Don Estévan, Don Tiburcio, ich bin Euer ergebener Diener.«
Cuchillos Worte wurden mit tiefem Schweigen aufgenommen. Er fühlte wohl, daß er die Rolle des Hasen spielte, der unter den Zähnen der Windhunde eine Zuflucht sucht; aber er versuchte durch Unverschämtheit seine mehr als zweifelhafte Lage zu sichern. Der Jäger allein warf einen Blick auf Fabian, der nach dem Grund zu forschen schien, der diese Person mit dem unverschämten Gesicht und dem schlammbedeckten grünlichen Bart ungerufen herbeigezogen hatte.
»Es ist Cuchillo«, sagte Fabian als Antwort auf den Blick Bois-Rosés.
»Cuchillo, Euer unwürdiger Diener«, erwiderte der Taugenichts, »der Eure Heldentaten bei jener Jaguarjagd wohl bemerkt hat.« Meine Gegenwart, dachte Cuchillo, ist ihnen entschieden weniger unangenehm, als ich geglaubt hätte. Er fühlte, wie seine Unverschämtheit sich verdoppelte, obgleich der Empfang, der ihm zuteil wurde, eisig genug war; obgleich das Schweigen demjenigen glich, das in einem Sterbehaus beim Erscheinen eines jeden Neuankommenden herrscht. Er fuhr mit lauter Stimme fort, als er die feierliche Haltung aller bemerkte: »Aber, bei Gott, ich sehe, daß ihr in Geschäften begriffen seid und daß ich vielleicht unbescheiden bin; ich ziehe mich daher zurück. Es gibt Augenblicke, wo man nicht gern gestört sein mag; ich weiß es aus Erfahrung.«
Bei diesen Worten machte Cuchillo Miene, ein zweites Mal durch die grüne Einfassung des Val d'Or zu dringen, als die rauhe Stimme Bois-Rosés ihn zurückhielt. »Beim Heil Euer Seele, bleibt hier, Señor Cuchillo!« sagte der Jäger zu ihm.
Der Riese wird von meinen geistigen Fähigkeiten gehört haben, sagte sich Cuchillo; sie bedürfen meiner. Im ganzen will ich doch lieber mit ihnen teilen, als gar nichts bekommen; aber gewiß ist dieses Val d'Or bezaubert. »Mit Eurer Erlaubnis, Señor Kanadier?« erwiderte er, sich an den Jäger wendend. Dann heuchelte er eine Überraschung, die er beim Anblick seines Chefs nicht empfand: »Ich habe ...«
Ein gebieterisches Zeichen Fabians schnitt Cuchillos Rede kurz ab. »Ruhig!« sagte er. »Stört nicht die letzten Gedanken eines Christen, der sterben muß! Señor Graf von Mediana«, fügte Fabian hinzu, »ich frage Euch noch einmal bei dem Namen, den wir tragen, bei Eurer Ehre, beim Heil Eurer Seele: Seid Ihr unschuldig am Mord an meiner Mutter?«
Auf diese Frage erwiderte Don Antonio, ohne zu wanken: »Ich habe nichts zu sagen; ich gestehe nur meinen Pairs das Recht zu, über mich zu urteilen. Mögen mein Schicksal und deines in Erfüllung gehen!«
»Gott sieht und hört mich«, sagte Fabian. Dann führte er Cuchillo beiseite und sagte zu ihm: »Ein feierlicher Spruch hat diesen Mann verurteilt. Als Repräsentanten der menschlichen Gerechtigkeit in dieser Steppe legen wir in Eure Hände das Amt des Henkers. Die Schätze, die dieses Tal umschließt, werden die Belohnung für die Erfüllung dieser schrecklichen Pflicht sein. Möchtet Ihr niemals einen ungerechten Mord begangen haben!«
»Man hat nicht vierzig Jahre gelebt, ohne einige Sünden auf seinem Gewissen zu haben, Don Tiburcio; ich würde jedoch Don Estévan nicht um einen geringeren Preis getötet haben und bin stolz darauf, meine Talente nach ihrem wahren Wert anerkannt zu sehen. Ihr meint also, das Gold des Val d'Or soll mir gehören?«
»Ganz und gar, ohne nur ein Stückchen davon auszunehmen!«
»Caramba! Trotz meiner wohlbekannten Gewissenszweifel ist es ein guter Preis;
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