Der Waldläufer
Stehen kam. Mitten im Staub, den der Wind überallhin zerstreute, begann sich ein berittener Zug zu zeigen. Er bestand aus fünf Reitern. Zwei von ihnen schienen die Herren der drei anderen zu sein, die ihnen ziemlich nahe folgten.
Der erste der beiden, die an der Spitze ritten, war ein Mann von mehr als mittlerer Größe. Er schien die Vierzig überschritten zu haben. Ein grauer niedriger Filzhut mit breiten Rändern schützte ihn vor den glühenden Strahlen der Sonne. Er war mit einem Dolman aus dunkelblauem Tuch, der reich mit seidenen Schnüren besetzt war, bekleidet, den ein weiß besticktes Taschentuch von himmelblauer Seide, das man »Pano de Sol« nennt, fast ganz umhüllte. Unter einer glühenden Atmosphäre dient die weiße Farbe dieser Art Schärpe wie der Burnus der Araber dazu, die Sonnenstrahlen zurückzuwerfen. An seinen mit Korduanleder von gelblicher Farbe bekleideten Füßen waren stählerne Sporen an einem breiten, silber bestickten Riemen befestigt. Das Klirren ihrer Räder mit fünf Spitzen und ihrer Kettchen verband sich mit dem silberhellen Klingeln, nach dem die mexikanischen Reiter wie einst die Ritter des Mittelalters den Schritt ihrer Pferde abzumessen lieben. Sein Reitmantel war reich mit Gold besetzt und hing an beiden Seiten des Sattelbogens herunter; er bedeckte mit seinen Falten ein weites Beinkleid, das der ganzen Länge der Füße nach mit Knöpfen aus Silberdraht verziert war. Sein Sattel endlich, bestickt wie die Riemen seiner Sporen, vervollständigte einen Anzug, dessen Gesamteindruck bei einem Europäer Erinnerungen aus einem früheren Jahrhundert hervorrufen mußte.
Einige weiße Haare begannen sich unter die schwarzen zu mischen, die sich kräftig an den Schläfen kräuselten. Seine Züge, sonnverbrannt wie bei den Männern, die lange Zeit in tropischem Klima gelebt haben, schienen von einer Beweglichkeit zu sein, die stürmische Leidenschaften ahnen ließ. Seine leicht gekrümmte Nase überragte einen Schnurrbart, der seinen Mund beschattete. Seine schwarzen und lebhaften Augen blitzten unter einer knochigen, breiten und von frühzeitigen Falten durchfurchten Stirn.
Übrigens bedurfte der Reiter des reichen Anzugs nicht, den er trug, um seine stolze Haltung zu erhöhen, die die Gewohnheit zu befehlen und den Umgang mit der vornehmen Welt auf den ersten Blick erkennen ließ.
Sein Begleiter war viel jünger als er und viel auffallender gekleidet; aber seine unbedeutende Figur und seine Haltung – obwohl nicht ohne eine gewisse Eleganz – kamen lange nicht dem aristokratischen Aussehen des Reiters mit dem gestickten Tuch gleich.
Die drei folgenden Diener gaben mit ihren von der Sonne fast geschwärzten Zügen, ihrer fast verwilderten Figur, ihren langen Lanzen mit scharlachfarbigen Fähnchen und mit dem Lasso, das an ihrem Sattelknopf hing, dem sich nähernden Reitertrupp ein seltsames, den amerikanischen Gewohnheiten eigenes Ansehen. Zwei Maulesel, mit enormen Reisetaschen beladen, in denen sich die für die Haltepunkte nötigen Matratzen und andere Taschen mit tragbaren Flaschenfutteralen befanden, folgten den drei Dienern.
Beim Anblick Cuchillos und Barajas machte der erste der beiden Reiter halt, und die ganze Truppe folgte seinem Beispiel.
»Das ist Don Estévan«, sagte Baraja halblaut. »Hier ist der erwartete Mann«, nahm er das Wort, indem er den Banditen dem Reiter mit dem »Pano de Sol« vorstellte.
Don Estévan – denn er war es – warf auf Cuchillo einen durchbohrenden Blick, der bis auf den Grund seiner Seele zu dringen schien, und ließ ein Zeichen der Überraschung entschlüpfen.
»Ich habe die Ehre, Eurer Herrlichkeit die Hände zu küssen«, sagte Cuchillo; »ich bin es wirklich, der ...« Aber trotz seiner gewöhnlichen Unverschämtheit hielt der Bandit schauernd ein in dem Maße, als unbestimmte Erinnerungen in seinem Gedächtnis bestimmter hervortraten; denn diese beiden Männer hatten seit langen Jahren nicht mehr Angesicht gegen Angesicht einander gegenübergestanden.
»Ei, wenn ich mich nicht irre«, sagte der Spanier mit ironischer Miene, »so sind Herr Cuchillo und ich alte Bekannte; obgleich er damals nicht diesen Namen trug ...«
»Ebenso wie Eure Herrlichkeit, die sich damals nannte ...«
Arechiza zog die Augenbrauen zusammen, und sein schwarzer Schnurrbart sträubte sich auf seiner Oberlippe.
Cuchillo beendete seinen Satz nicht; er hatte vielmehr begriffen, daß er das, was er wissen konnte, verschweigen mußte, und diese Art von
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