Der Waldläufer
euch ihren ganzen Angriffsplan entwickeln«, fügte der Spanier mit der ganzen Sicherheit eines großen Feldherrn hinzu, der die strategischen Bewegungen des Feindes, den er schlagen will, im voraus errät.
»Laßt hören!« sagte Fabian, über die Kaltblütigkeit des früheren Grenzjägers lächelnd, der sich eben unter dem Schutz des Walls von Decken auf den Rücken gelegt hatte und ruhig die im Nebel funkelnden Sterne betrachtete.
»Sehr gern, aber legt Euch erst nieder wie ich; und du auch, Bois-Rosé, denn du bietest ein Ziel dar wie der Stamm dieser Tannen.«
Beide gehorchten schweigend dem Rat ihres Gefährten, und bald konnte man von der Ebene aus nur noch den phantastischen Schattenriß des durchsichtigen Pferdeskeletts, die menschlichen Skalpe an der Spitze der Stangen und die langen Zweige der Tannen mit ihren dunkelgrünen Nadeln bemerken, die diese grauenhaften Sinnbilder beschatteten.
Zuerst nahm der spanische Jäger das Wort: »Da die mexikanischen Abenteurer, von denen gewiß mehr als einer da ist, und diese herumstreifenden Indianer durch den Schelm, den Ihr Baraja nennt, geführt sind, so ist es natürlich, daß er sie denselben Weg nehmen ließ, den er eingeschlagen hat, um uns zu entwischen; und das ist der Grund, warum sie die Höhen erstiegen haben. Aber der Taugenichts, der sie führt, hat außerdem gewiß noch einen zweiten Grund gehabt, um sie nicht durch die Ebene hierher zu bringen. Wenn es wahr ist, daß er seinen Busenfreund vom Gipfel dieses Felsens hinabgestürzt hat, um einen reicheren Anteil bei der Plünderung des Val d'Or zu erhalten, so ist das nicht geschehen, um seinen neuen Verbündeten sein Geheimnis zu entdecken. Er hatte also, wenn er den Weg durch die Ebene nahm, Furcht, daß sie seinen Schatz entdecken möchten. Man sollte fast glauben«, fügte Pepe nach kurzer Unterbrechung hinzu, »daß die Vorsehung mir den Gedanken, die Oberfläche des Tals mit Zweigen und Gras zu bedecken, eingeflößt hat.
Aber ich komme auf den Angriffsplan zurück. Die Schelme werden also die Felsen gegenüber zu ersteigen und uns von dort, einen nach dem anderen, zu töten suchen; später werden sie sich gegenseitig ermorden, um unsere Erbschaft zu teilen. Halt! Seht ihr?« schloß Pepe lebhaft. »Im Fall, daß die Feindseligkeiten beginnen, muß diesem Hund Baraja der Kopf zuerst zerschmettert werden.«
Es war unter den drei Jägern einer, der weit davon entfernt war, die Ruhe und das Vertrauen des ehemaligen Grenzjägers zu teilen. Das war Bois-Rosé. Seitdem der Augenblick vorüber war, wo der kanadische Waldläufer sich einen schönen Lebensabend mitten in den Steppen und mit dem Sohn geträumt hatte, der das Versprechen gegeben hatte, ihn nicht mehr zu verlassen, hatte eine plötzliche Umwälzung ohne sein Wissen in seiner Seele stattgefunden. Die Gefahren jeglicher Art, die die Steppen denjenigen bieten, die aus ihnen ihr Vaterland gemacht haben, hatten bis jetzt nach Pepes Worten auf Bois-Rosé einen gewaltigen Einfluß gehabt; aber jetzt bemächtigte sich seiner zum erstenmal ein unbestimmter Schrecken.
Auf dem Eiland des Rio Gila hatte sein Mut nicht gewankt, obgleich sein Herz bei dem Gedanken an die Gefahr, die Fabian bedrohte, schmerzlich bewegt gewesen war. Auf der Plattform der Pyramide bemächtigte sich seiner ein geheimes Unbehagen. Seine Augen schienen nicht mehr den blitzschnellen Blick zu haben, der ihm in der Not immer einen Ausweg zeigte, der Gefahr zu entgehen; seine Fruchtbarkeit an Hilfsmitteln schien eine plötzlich vertrocknete Quelle geworden zu sein.
Während Pepe seine Freude darin fand, den Feldzugsplan ihrer Feinde zu entschleiern, hatte der Kanadier mehrmals den Mund geöffnet und ebensooft – selbst verwundert über die Gefühle, die sein Mund aussprechen sollte – seine Worte verschluckt. Pepes Schlußfolgerung machte ihn kühner.
»Aber von zwei Dingen eines«, warf Bois-Rosé ein, der einen tröstlichen Gedanken in den Worten seines Gefährten aufgriff: »Diese Banditen, die über uns herfallen wollen, wissen mit Ausnahme eines einzigen unter ihnen entweder gar nichts von dieser Goldmine oder kennen allesamt das Geheimnis; und da Fabian ebensowenig wie wir noch etwas davon haben will, so wollen wir ihnen das Dasein dieser Mine entdecken. In diesem Fall wie in dem, wo wir ihnen nichts zu entdecken hätten, wollen wir ihnen das Feld überlassen und uns, ohne einen Schuß zu wechseln, davonmachen.«
Pepe bewahrte ein eisiges Schweigen.
»Das ist das
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