Der Waldläufer
der Felsen zu werfen.
Die ersten unbestimmten Strahlen der Morgendämmerung erleuchteten eine anscheinend ebenso tiefe Einsamkeit wie vierundzwanzig Stunden zuvor, als die drei Jäger das Val d`Or betreten hatten. Die Steppe war ebenso öde und ebenso düster wie am vorhergehenden Tag, und nichts hätte in den Augen der Bewohner der Plattform den Anschein einer Veränderung an sich getragen, ohne den Erdhügel, der sich über der Leiche des Herzogs von Armada wölbte; ohne das ferne, aber von der Leiche des Pferdes entfernte Geheul der Wölfe und wenn nicht die Erinnerung an das herzzerreißende Geschrei der beiden Banditen, die vom Wasserfall verschlungen worden waren, lebhaft vor die Seele getreten wäre.
»Die Ebene ist öde«, sagte der Grenzjäger, »und wenn ihr mir Glauben schenkt, so bin ich jetzt, da wir uns einmal entschieden haben, es wie die Löwen des Atlas zu machen, der Ansicht, den Rückzug anzutreten, solange wir es noch können. Noch länger den guten Willen dieser Schelme abzuwarten, scheint mir gefährlich. Eine Kapitulation ist in der Steppe nicht Brauch, wie du weißt.«
Der Kanadier näherte sich, ehe er auf den Vorschlag Pepes antwortete, ebenfalls dem äußersten Rand der Plattform, um einen Versuch zu machen, den grauen Schleier, der auf der Ebene lag, zu durchdringen. Die Unebenheit des Bodens und die Steine, mit denen er besät war, ließen das Auge jetzt nur langgestreckte Linien und ungewisse Umrisse erblicken; aber es konnten sich an der Seite dieser Steine und in den Erdspalten unbemerkt Feinde hinschleichen und in Sicherheit die Bewegungen der drei Jäger belauern.
Bois-Rosé wurde von der anscheinenden Ruhe, die weithin herrschte, getäuscht und hätte vielleicht die Ansicht seines Gefährten, sogleich zu fliehen, angenommen, wenn nicht sein Gehör das Urteil seiner Augen berichtigt hätte. Wölfe heulten noch nach dem Leichnam des Pferdes, als ein mehr klagender Ton sich in das Kläffen mischte, das sich hören ließ. Dieses Zeichen wurde vom Waldläufer verstanden. Er kam zurück und setzte sich wieder an seinen Platz.
»Es ist eine Tollheit, zu denken, daß die Ebene frei ist«, nahm Bois-Rosé das Wort. »Hört, ich vernehme von hier aus das Knurren der Wölfe nach einer Leiche, der sie sich nicht zu nähern wagen. Ich erkenne das an ihrem besonderen Kläffen; ich wette, daß zwei oder drei Indianer sich hinter diesem Aas befinden.«
Als der Kanadier seine Ansicht ausgesprochen hatte, kehrte Pepe zum Beobachtungspunkt zurück, den er vorher verlassen hatte. »Du hast recht«, sagte er, noch einmal hinblickend. »Ja, ich sehe sie platt auf der Erde liegen. Ach, wenn wir nur meinem Rat gefolgt wären ... Aber am Ende ist es doch einerlei; ich bin immer noch der Meinung, die ich ausgesprochen habe«, fuhr der Spanier fort, »nämlich, daß wir für den Fall, daß Feindseligkeiten eintreten, uns zuerst Barajas entledigen.«
»Feindseligkeiten können nicht stattfinden!« warf der Kanadier abermals ein. »Ganz gewiß will man nicht an unser Leben, sondern an den Schatz.«
»Ich sage nicht nein; und doch haben die Weißen überall, wo es Indianer gibt, Feinde, die durstiger nach Blut als nach Gold sind.«
Da es nichtsdestoweniger wahrscheinlich war, daß Baraja, dessen unvorhergesehenes Bündnis mit den Apachen er sich nicht erklären konnte, diese nur dadurch, daß er ihnen den Schatz in Aussicht stellte, zum Angriff bewogen hätte, so dachte Bois-Rosé, daß ihre Habgier befriedigt werden würde, wenn eine Kapitulation sie zu Herren des Goldlagers machte. Der ehrliche Kanadier erwartete also ziemlich ruhig, daß ihre Feinde endlich auf andere Weise als durch Heulen ihre Gegenwart kundtun würden.
Es entstand eine lange Stille, in der Bois-Rosé endlich auf den Punkt gelangte, die letzten Bedenken seines nach unserer Meinung zu weit gehenden Ehrgefühls zu ersticken. Pepe seinerseits suchte sich über das Zugeständnis, das er seinem alten Gefährten machte, resigniert hinwegzusetzen, und Fabian sehnte sich sehr nach einer Gefahr, um den stürmischen Gedanken, die sich dicht am Grab Medianas und so fern von der Hacienda del Venado in seinem Herzen bewegten, für den Augenblick Stillstand zu gebieten. Machten diese beiden Namen nicht sein ganzes Leben aus? –
Wir wollen diese Frist benützen, um an die Stelle von Pepes Schlüssen die tatsächlichen Vorgänge treten zu lassen oder vielmehr, um sie teilweise zu bestätigen, denn sein Scharfsinn hatte beinahe das Wahre
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