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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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war, um sich gänzlich auf die Bedingungen seines Versicherungskontraktes zu verlassen, streckten sich auf das Gras, ohne es der Mühe für wert zu halten, ihr Zelt aufzuschlagen; die Vaqueros hatten sich auch wieder niedergelegt, und das tiefste Schweigen herrschte bald in den Wäldern und auf den grasreichen Ufern des Büffelsees.

61 Die Jagd auf wilde Pferde
    Beim ersten Schimmer des Tages waren die Büffeljäger, die Vaqueros und die Reisenden schon auf den Füßen. Der Engländer saß auf einem tragbaren Feldstuhl, demjenigen ähnlich, den die Maler auf dem Land bei sich haben; er hatte sich schon die von dem weißen Pferd auf der Flucht eingeschlagene Richtung zeigen lassen. Encinas war hartnäckig genug, dieses weiße Pferd mit dem wunderbaren Renner der Prärie zu verwechseln, während der Engländer in seinem Album die Hauptzüge der vor ihm ausgebreiteten malerischen Szenen entwarf. Einige Schritte davon ging der Kentuckyer schweigend mit der Büchse auf der Schulter auf und ab wie eine Schildwache, die auf die Ausführung ihres Befehls bedacht ist.
    Plötzlich fiel der Stift aus den Händen des Zeichners, und eine Wolke bedeckte seine Augen. Rosarita erschien auf der Schwelle ihres Zeltes, weiß und leicht wie die Flocke einer Morgenwolke am blauen Himmel. Die Falten ihres seidenen Vorhangs bedeckten sie noch halb, ihre aufgelösten Flechten fielen auf die nackten Schultern wie eine Garbe von wallendem schwarzem Haar. Der Anblick des Fremden, der bewunderungsvolle Blicke auf sie warf, ließ sie schnell wieder hinter ihrem blauseidenen Vorhang verschwinden.
    Diese reizende Erscheinung schwebte darum aber nicht weniger vor den geblendeten Augen des jungen Engländers. Er schloß sein Album, steckte seine Stifte ein und rief seinen Leibgardisten. »Wilson!« sagte er.
    »Sir?« antwortete Wilson, sich nähernd.
    »Hier in der Nähe bedroht mich eine Gefahr!«
    »Ist sie in unserem Kontrakt mit einbegriffen?« antwortete der umständliche Amerikaner.
    Der Engländer zeigte mit dem Finger auf Doña Rosaritas Zelt.
    »Die schönen Augen dieses jungen Mädchens?« fragte Wilson.
    »Ja.«
    »Bei Jesus Christ und dem General Jackson!« rief der Jäger. »Ich zweifle, ob das in unserem Vertrag steht.«
    »Seht zu!«
    Der Amerikaner zog aus einer seiner zahlreichen Taschen ein zerknittertes, beschmutztes, zerriebenes Papier, und nachdem er das Protokoll des Kontraktes gemurmelt hatte, las er laut: »Vermittels dessen, was oben steht, verpflichtet sich der obengenannte William Wilson, den Sir Frederick Wanderer vor den Gefahren der Reise zu beschützen, als da sind: feindliche Indianer, Panther, Jaguare, Bären von allen Arten und allen Größen, Klapperschlangen und andere Schlangen, Alligatoren, Durst, Hunger, Wald- und Savannenbrände usw. usw. und vor allen Gefahren im allgemeinen, wie sie auch heißen mögen, die die Reisenden in den Steppen Amerikas bedrohen können.«
    »Ihr seht«, sagte Sir Frederick, den Amerikaner unterbrechend: »›vor allen Gefahren der Steppe im allgemeinen, wie sie auch heißen mögen‹!«
    »Dies ist eine Gefahr der Städte.«
    »Aber in der Steppe noch hundertmal gefährlicher. Wenn Ihr ein einziges Mal in Eurem Leben auf einem Ball gewesen wärt, so würdet Ihr wissen, daß hundert entblößte Frauen unendlich weniger zu fürchten sind als eine einzige unter ihnen in der Tiefe eines einsamen Waldes, wäre sie auch züchtig bis zu den Augen verschleiert.«
    »Das ist möglich; es geht mich aber nichts an.« Und der unempfindliche Amerikaner ging wieder schweigend auf und ab.
    »Dann muß ich mich selbst schützen«, sagte Sir Frederick. »Seid so gut und sattelt die Pferde; wir wollen aufbrechen und den Weißen Renner der Prärien verfolgen; und da es nicht in unseren Bedingungen steht, daß Ihr mein Pferd satteln müßt...«
    »Ich bin Euer Leibgardist und nicht Euer Diener; das ist ausgemacht.«
    »... so werde ich es selbst satteln. Ach, ich möchte Euch bitten, Euch zu erinnern, daß ich heute abend irgendeinen Wildbraten für mein Abendessen haben muß.«
    Die Pferde waren bald fertig, und Sir Frederick dankte dem Hacendero für seine Gastfreundschaft, als Rosarita sich ihrem Vater näherte. Nun verneigte sich der Engländer, wie es der junge Komantsche mit der dem Wilden natürlichen Würde getan hatte, mit all dem feinen Anstand eines Mannes auf der höchsten Stufe der Bildung, der der besten Gesellschaft angehört, vor dem jungen Mädchen und sagte zu ihm: »Señorita, ich

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