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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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so nahe bei dem Weißen Renner, daß er ihn fast hätte berühren können, wenn er die Hand ausstreckte.
    Der Texaner fluchte wie ein Heide, als er fühlte, daß der Lasso in seinen Händen nutzlos sei; seine Klagen dauerten nicht lange. Der Weiße Renner schlug aus und traf das Pferd des Reiters mit solcher Gewalt mitten auf die Brust, daß beide sich überschlugen und übereinanderrollten – wie Ihr eben in den See«, fügte Encinas hinzu, indem er sich an den Vaquero wandte, der seine Kleider trocknen ließ. »Und als der Texaner sich wieder erhob, war der Weiße Renner verschwunden. Was das Pferd des Vaqueros anbelangt, so erhob es sich nicht wieder – die ehernen Hufe des plötzlich unsichtbar gewordenen Tieres hatten ihm die Brust eingeschlagen, und das war ein Glück für den Texaner, denn ein Schritt weiter, und er wäre in eine bodenlose Schlucht gestürzt, an deren Rand der Weiße Renner stehengeblieben war. Ich begegnete dem Mann, als er zu Fuß von seiner Jagd zurückkehrte«, schloß der Erzähler, »und er erzählte mir, was ihr eben gehört habt.«
    Diese Geschichte, die in einem gewissen Teil eine unbestreitbare Wahrscheinlichkeit an sich trug, fand keinen einzigen Ungläubigen in dem ganzen Kreis der noch halbwilden Männer, die sich um Encinas gruppiert hatten.
    »Ihr seht also«, sagte der Neuling, indem er als erster ein Schweigen unterbrach, das mehrere Minuten gedauert hatte und in dem das Knistern des Feuers sich allein in der Stille des Waldes hören ließ, »daß den armen Francisco ein Unglück treffen wird, weil er diesen wunderbaren Renner verfolgt, der mit seinen fünfhundert Jahren noch so jung erscheint!«
    »Ich fürchte es«, antwortete der Büffeljäger, den Kopf schüttelnd; »sofern ich mich nicht getäuscht habe und das prächtige Pferd, das wir alle gesehen haben, nicht wirklich der Weiße Renner der Prärien ist.«
    »Gewiß; nur er kann es sein!« antworteten alle Vaqueros, die ganz entzückt waren, später einmal versichern zu können, daß sie in ihrem Leben einst dieses wunderbare Tier, das in den Prärien schon märchenhaft geworden war, getroffen hatten.
    Encinas' Zuhörer wollten sich eben nach seinem Beispiel um das Feuer herum ausstrecken und schlafen – denn ihre Herrschaften hatten sich schon seit langer Zeit in ihre Zelte zurückgezogen –, als die Stimme der Dogge sich abermals hören ließ.
    »Gewiß irgendein Reisender«, sagte Encinas, indem er sich auf seinem Ellbogen erhob und gleichgültig genug um sich blickte, um glauben zu machen, daß er seiner Sache ganz sicher sei.
    Wenige Minuten nachher kamen an der Stelle, wo das Licht des Feuers nicht mehr hindrang, zwei Männer zu Pferd aus dem Wald in die Lichtung.
    Derjenige von den Reisenden, der vorausritt, hielt sein Pferd an und schien mit Überraschung das sonderbare Gemälde zu betrachten, das der Büffelsee, die an seinen Ufern errichteten Zelte, der Widerschein der auf der schwarzen Wasseroberfläche zitternden Feuer und die wilden Reiter darboten, die an den Feuern lagen, halb auf der einen Seite im Schatten begraben, auf der anderen Seite von einem roten Glanz umgeben.
    Der zweite Reisende trug in der Hand eine lange Büchse und hielt mit der anderen ein Pferd am Zügel, das mit einigem leichten Gepäck beladen war, auch zwei kleine lederne Felleisen an jeder Seite des Packsattels, ein Reisezelt und eine Schachtel trug, die ebensogut zur Aufbewahrung von Pflanzen dienen oder auch einen Farbenkasten darstellen konnte.
    Während der erste Reisende sich nur damit zu beschäftigen schien, die malerische Seite der Szene, die er plötzlich vor sich sah, zu betrachten, schien der zweite den Auftrag zu haben, dessen wirkliche Seite ins Auge zu fassen.
    »Tut Eure Pflicht!« sagte der erste zum zweiten in englischer Sprache.
    »Meine Pflicht ist vollkommen getan«, erwiderte dieser letztere; Euer Gnaden sind hier in vollkommener Sicherheit.« Mit diesen Worten lenkte er sein Pferd zu den Schläfern, nachdem er seine Büchse wieder auf die Schulter geworfen hatte, und bat nach dem in der Steppe herrschenden Brauch in ziemlich schlechtem Spanisch die Besitzer der Lagerstelle um Erlaubnis, am gemeinschaftlichen Feuer Platz nehmen zu dürfen. Dies wurde ihm mit der bei den Mexikanern aller Klassen gewöhnlichen Höflichkeit bewilligt.
    Während er abstieg und sich damit beschäftigte, das Packpferd abzuladen, näherte sich schweigend der bis jetzt zurückgebliebene Reisende, nickte den Vaqueros und den

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