Der Waldläufer
nicht weniger Sonderling war als er, durch Mexiko und hatte diesem Jäger tausend Piaster geboten, wenn er ihm den Weißen Renner, von dem er hatte reden hören, herbeischaffen könnte. Man wollte dem Texaner von einem in der Ausführung so gefährlichen Plan abreden; aber er bestand dessenungeachtet auf seinem Vorsatz und suchte das schnellste und kräftigste Pferd unter denen, die er kannte, zu bekommen. Als er es hatte, erkundigte er sich nach dem Weg, den er einschlagen mußte, um den Lieblingsaufenthalt des Weißen Renners zu finden. Ihr müßt nun wissen, daß dieser mehrere hat: gegen alle Gewohnheit der Pferde, die in der Gegend, die sie besonders lieb haben, leben und sterben. Der Jäger brach auf und bemerkte, nachdem er einige Tage gesucht hatte, das Tier, von dem wir sprechen – ich muß euch noch sagen, daß es so leichtfüßig ist, daß man es am folgenden Tag hundert Meilen von dem Ort entfernt sieht, wo man es am Tag vorher gesehen hat. Der Texaner hatte ein Pferd von außerordentlicher Schnelligkeit; er glaubte, wie ich euch eben gesagt habe, wenig an die Furcht, die man ihm vor dem Weißen Renner hatte einflößen wollen, und hoffte, die versprochene Summe zu verdienen. Sobald er also das Tier, nach dem er suchte, bemerkt hatte, verfolgte er es mit geschwungenem Lasso, setzte über Abgründe, sprang über Felsen, flog durch die weite Ebene, denn sein Pferd war schnell wie der Wind, und der Weiße Renner verlor mit jedem Augenblick ein wenig von seinem Vorsprung. Dies geschah aber nicht deshalb, weil seine Kraft nachzulassen schien, versicherte mir der Texaner, sondern es kam daher, daß der Weiße Renner jeden Augenblick den Kopf nach ihm umwandte und so eine Zeit verlor, die der Reiter nur zu seiner Verfolgung benützte. Seine Kräfte waren weit davon entfernt, abzunehmen, sie schienen sich vielmehr zu verdoppeln. In der Tat: In dem Maße, als sein Pferd müde wird, erlischt sein Auge, und hier schienen sich die Augen des Weißen Renners, die unter dem Büschel auf der Stirn und der weißen Mähne funkelten, von Minute zu Minute immer mehr zu entflammen. Demnach wurde die Entfernung immer geringer, obgleich seine Augen lebhaftere Blitze schleuderten und im Verhältnis, als der Tag sich neigte und der Raum zwischen dem Weißen Renner und dem Jäger sich verminderte, die Augensterne des Tieres immer blitzender wurden. Das war jedoch nicht die einzige beunruhigende Tatsache, die der Texaner bemerkte, der, um Mut zu bekommen, sich einen hübschen Beutel mit tausend Piastern vorstellen mußte, die ebenfalls in tausendfachem Feuer erglänzten. Die Nacht war angebrochen, ohne daß er dem Renner so nahe gekommen wäre, um den Lasso nach ihm zu werfen, und der Texaner war sehr erstaunt, als er sah, daß die Hufe des weißen Pferdes – das jedoch nicht beschlagen war – im Galopp auf einem steinigen Boden bei jedem Schritt lange Streifen von Funken sprühen ließen, so daß, als die Nacht noch dunkler wurde, es nur mit Hilfe dieses sonderbaren Lichtschimmers möglich war, das Pferd nicht aus den Augen zu verlieren. Obgleich der Texaner es sich nicht erklären konnte, wie die Hufe aus Horn Funken hervorbringen könnten, wie die Augen des Pferdes einen so sonderbaren Glanz verbreiten ...«
Ohos Bellen unterbrach in diesem Augenblick die Erzählung des Büffeljägers zum großen Mißbehagen seiner Zuhörer. Die Dogge legte sich jedoch bald wieder beim Feuer nieder, wo sie ebenso aufmerksam auf Encinas' Erzählung zu lauschen schien wie die Vaqueros selbst; und da Oho gewiß nicht die Nähe eines Indianers andeutete, so fuhr Encinas in seiner Erzählung fort.
»Der Texaner konnte sich also die Ursache dieser Funken und dieses Glanzes nicht erklären; da er aber zu gut bezahlt wurde, um sich lange zu fürchten, so verfolgte er den Weißen Renner nur um so eifriger und hatte die Genugtuung, zu bemerken, daß dessen Schnelligkeit merklich abnahm. Dann sah er ihn plötzlich stillstehen, schnauben, wiehern und den Hals nach dem Horizont ausstrecken. Der Texaner ließ sein Pferd die Sporen fühlen, das auch anfing, langsamer zu werden, und stürzte sich mit dem Lasso in der Hand auf den Weißen Renner.
Plötzlich löste sich die Schleife des fliegenden Knotens in der Luft auf, und der Texaner ließ nur noch eine gerade Schnur, die nichts mehr umschlingen konnte, um seinen Kopf kreisen. Nichtsdestoweniger war sein Pferd vorwärts gespornt, ohne daß er daran gedacht hätte, es zurückzuhalten; dann befand er sich
Weitere Kostenlose Bücher