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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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durchschnitten hatte, und der Jäger wurde nun von dem wilden Tier gejagt.
    Der Bär war durch diesen Triumph nicht befriedigt und folgte mit seinem anscheinend schwerfälligen, in Wirklichkeit aber schnellen Trab dem Pferd und dem Reiter auf den Fersen. Oft gewann der Reiter durch einen beschleunigten Galopp seines Pferdes einen solchen Vorsprung, daß er den Bären aus den Augen verlor, und wenn die Ermüdung ihn nötigte, langsamer zu reiten, so zeigte sich auch der Bär bald wieder, der immer seinen unablässigen, hartnäckigen Trab fortsetzte.
    Dem Tag war die Nacht gefolgt, und einen Augenblick lang war der erbitterte Verfolger des Abenteurers in der Dunkelheit verschwunden, als noch einmal auf dem weißlichen und kalkigen Boden der Ebene ein schwarzer, ungeheurer Körper erschien, dessen gleichmäßiger Gang und die rauhe Stimme dem Reiter nicht mehr zu zweifeln erlaubten. Dies war das letztemal, daß er ihn aus dem Blickfeld verlor.
    Der Bär befand sich nun immer hinter dem Reiter gleich jenen glänzenden Gestirnen, die man immer an der gleichen Stelle des Himmels bemerkt, wie groß auch die Schnelligkeit ist, die man anwendet, um an ihnen vorbeizukommen. Unterdessen wurde der Raum, der sie trennte, immer kleiner; der Bär hatte seine Schnelligkeit nicht vermehrt, die des Pferdes aber nahm ab. Schaum bedeckte seine Flanken; der Atem drängte sich mühsamer aus seinen durch die Furcht erweiterten Nüstern; seine nervigen Fesseln wurden schwach unter ihm – aber der Gang des Bären wurde immer noch nicht langsamer.
    Zwei Stunden vergingen so – zwei Stunden, in denen jede Minute selbst eine Stunde zu sein schien –, und schon seit Augenblicken mischte sich das lüsterne, furchtbare Schnüffeln des Bären in das ängstliche Schnauben des Pferdes, bis dieses, erschöpft von seiner Wunde und besonders vom Schrecken, nicht mehr weiter konnte und zusammenstürzte.
    Diaz sah diesen Fall voraus und fiel auf seine Füße. Ein glücklicher Zufall wollte es, daß dies zwei Schritt von einem Ahornbaum geschah, auf den er eiligst – mehr aus Instinkt als aus Überlegung – hinaufkletterte. Seine Fersen befanden sich in einiger Entfernung vom Boden, als der Bär, der offenbar dem Menschen den Vorzug zu geben schien, sich auf seine Hinterfüße setzte und mit seinen furchtbaren Fangzähnen, die kaum weniger lang, aber weit härter als die Sporen des Reiters selbst waren, diese letzteren berührte.
    Als Diaz mit heiler Haut diesem Angriff des ungeheuren Tieres entgangen war, erinnerte er sich plötzlich an die Gewandtheit der Bären, den Wipfel der Bäume zu erklettern, um den Honig der Bienen zu suchen, und er richtete sich darum so bequem wie möglich auf der Gabel eines Hauptastes ein. Gestiefelt und gespornt erwartete nun der Reiter in seiner so sonderbaren Stellung mit dem Degen in der Hand seinen Feind; er war nicht gerade erschreckt – denn der Abenteurer erschrak nicht mehr vor Tieren oder Menschen –, das Herz klopfte ihm jedoch mit ganz ungewöhnlicher Stärke.
    Aber Diaz kannte eine Eigentümlichkeit in den Gewohnheiten des Grauen Bären der Prärien nicht. Der Graue Bär, der wegen der wunderbaren Länge seiner scharfen Krallen der letzte von jener gigantischen Rasse der vorsintflutlichen Höhlenbewohner, deren Geschlecht untergegangen ist, zu sein scheint, kann nicht wie die Tiere derselben Familie auf die Bäume klettern. Dieser hier begnügte sich damit, einen Blick auf den Reiter und dann auf das sterbende Pferd zu werfen. Um seine Mußezeit gut auszufüllen und die Geduld nicht zu verlieren, trug der Bär, bei dem die Bewegung den Appetit gesteigert hatte, das Pferd an den Fuß des Baumes und fing an, es zu verzehren.
    Das hinderte jedoch den ungeheuren Tischgenossen nicht, die Augen von Zeit zu Zeit zu dem Abenteurer zu erheben, um diesem etwa zu verstehen zu geben, daß er das Pferd nur als eine Abschlagszahlung betrachte, von der der Mexikaner den Rest bilden sollte.
    Während eines Teils der Nacht hörte Diaz das entsetzliche Krachen der Knochen seines unglücklichen Pferdes; er sah, wie eine schwarze, ungeheure Masse sich behaglich am Fuß seines Baumes niederlegte, und fühlte, daß seine Augenlider vom Schlaf schwer wurden. Sooft er die Augen öffnete, hörte er dieselbe Musik, dasselbe Schauspiel traf seine Augen und seine Ohren, und endlich band sich der Abenteurer, von Ermüdung überwältigt, fest mit seinem Gürtel aus chinesischem Flor an den Baum, steckte sein Faustgelenk in die Quaste

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