Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
vorauszuschicken, um Zahl und Beschaffenheit derer zu rekognoszieren, die an diesem Feuer lagern.«
    Der junge Komantsche gab den beiden Indianern die dem Kanu auf dem rechten Ufer folgten, den Befehl zur Rekognoszierung vorauszugehen, und diese beeilten sich, ihn auszuführen. Unterdessen setzte jeder seine Waffen in Bereitschaft.
    Kurz bevor man am hohen Ufer anlangte, wo die Rauchsäule sich über die Bäume erhob, wurde eine von den unsichtbaren Personen ohne Zweifel durch das Geräusch der Ruder unruhig, denn man hörte eine starke Stimme rufen: »Wilson!«
    »Sir?« rief eine zweite Stimme, nicht weit von der ersten entfernt.
    Dann fuhr die erste Stimme fort, während die drei Jäger sich erstaunt anblickten: »Es scheint, als ob Ihr glaubt, Ihr wärt bei mir in den Ruhestand versetzt! Hört Ihr nicht?«
    »Ein Kanu? Ich sehe es schon seit fast einer halben Stunde.«
    »Sehr gut! Nun beschäftige ich mich nicht mehr damit; das ist Eure Sache.«
    Als der Engländer, den man ohne Zweifel wiedererkannt hat, diese Worte gesprochen hatte, kam das Kanu gerade an der kleinen Lichtung vorüber, in deren Mitte unsere seltsamen Personen, der Engländer und sein Leibgardist, phlegmatisch auf dem Boden lagen. Nicht weit von ihnen hing das Vorderteil eines Rehs an einem kleinen Baum, und an einem flammenden Feuer briet auf Kohlen unter leichtem Zischen die Keule des Tieres.
    Ganz am Ende der Lichtung weideten drei Pferde in dem dichten Gras, das die Feuchtigkeit des Flusses wachsen ließ. Sir Frederick zeichnete ruhig, während der Amerikaner am Feuer bei dem Rehviertel aufpaßte. Mit Ausnahme eines prächtigen weißen Pferdes, dessen glänzendes Haar mit Blut besudelt und das fest an einen Baumstamm gebunden war und sich mit gefesselten Füßen in seinen Banden abarbeitete, war dieses Lager mitten in einem Land voll Gefahren friedlich wie die Kaminecke einer holländischen Hausfrau.

71 Der Gefangene
    Die Vorbeifahrenden hielten einen Augenblick an, um dieses ruhige Gemälde zu betrachten.
    »Sir«, sagte Wilson, der schon seit einiger Zeit, wie er sagte, in dem Boot die Haltung und die Züge des jungen Komantschen, dem er zum zweitenmal begegnete, wiedererkannt hatte, »wir haben hier einen tapferen Krieger, dessen Hand schon einmal die Eurige gedrückt hat.«
    »Ich gehe zu ihm«, antwortete Sir Frederick Wanderer, ohne den Kopf zu heben. »Und wer ist dieser Freund? Denn dank Eurer Sorgfalt begegne ich niemals einem Feind, was in der Tat langweilig wird.«
    »Sir«, erwiderte der Amerikaner, »was geschrieben ist, ist geschrieben; ich weiß von nichts anderem. Und außerdem – wenn Eure Gnaden wünschen, daß ich Euch irgendeiner tüchtigen Gefahr gegenüberstelle, so müssen wir dies in einem nachträglichen Zusatz zu unserem Vertrag bemerken; außerdem ... Ihr fühlt wohl, Sir Frederick, könnte ich nicht einwilligen, ohne mich einem Prozeß oder den Vorwürfen meines Gewissens auszusetzen ...«
    »Wir wollen sehen«, unterbrach ihn der Engländer und stand auf. »Ah, es ist ein junger, tapferer Komantsche«, fügte Sir Frederick lebhaft hinzu; »ich freue mich, ihn wiederzusehen.«
    »Durchstreifen Eure Gnaden schon lange die Ufer des Red River?« fragte Bois-Rosé englisch.
    »Seit sechs oder sieben Tagen«, antwortete Sir Frederick, »bin ich auf der Verfolgung dieses schönen weißen Renners, den Ihr dort unten seht, und im Begriff, diesen Ufern lebewohl zu sagen, an denen man wahrlich so sicher reist als an denen der Themse.«
    »Da bin ich in diesem Punkt ganz verschiedener Ansicht«, unterbrach ihn der Grenzjäger. »Fragt Bois-Rosé!«
    »Fragt Wilson!« erwiderte Sir Frederick.
    Bois-Rosé unterbrach das Gespräch, das zur großen Freude Wilsons lebendig wurde. »Ihr seid also nicht zwei Banditen und ungefähr zehn Indianern begegnet, die einen gefangenen jungen Mann bei sich hatten?«
    »Banditen? Ihr setzt mich in Erstaunen, mein Freund«, erwiderte Wanderer; »sie existieren nur in Eurer Einbildung. Wilson, haben wir Banditen gesehen?«
    Der amerikanische Jäger blinzelte mit den Augen und sagte: »Sir Frederick, nach dem Wortlaut unserer Übereinkunft muß ich Euch nicht bloß im allgemeinen aus jeder Gefahr – wohlverstanden in der Steppe! – befreien, sondern es auch verhindern, daß Ihr dieser ausgesetzt seid. Nun ist nicht später als bei Tagesanbruch...«
    Die verzweifelten Anstrengungen des weißen Pferdes, seine Bande zu zerreißen und sich von seinen Fesseln zu befreien, zwangen den

Weitere Kostenlose Bücher