Der Waldläufer
drei Messer tauchten zu gleicher Zeit in den Körper des einen von ihnen. Dieser öffnete die Arme und verschwand unter dem Wasser, während der andere einen erstickten Schrei ausstieß und ebenso unbeweglich wie der Feind, der eben leblos im Fluß untergegangen war, an das Ufer gezogen wurde.
Es war Zeit, denn der junge Komantsche, den man einige Augenblicke nachher auf das steile Ufer legte, gab kein anderes Lebenszeichen mehr von sich als ein schwaches Erbeben. Alle neigten sich auf ihn nieder und warteten begierig auf die Rückkehr des Atems. Rayon-Brûlant war viel weniger von seinem Feind als vom Wasser erstickt worden, und nach einiger Zeit kehrte das Leben allmählich in seine Brust zurück.
»Ah, Ihr seid es, Señor Bois-Rosé, und Ihr auch, Señor Pepe!« rief Pedro Diaz aus, als der Zustand des Komantschen ihm keine Sorge mehr machte. »Ihr seid also diesen Räubern entkommen? Und Ihr auch, Gayferos? Nun, das nenne ich einen glücklichen Tag! Aber«, fuhr der Mexikaner fort, »ich sehe bei Euch ...« Und Diaz schien mit den Augen jemand zu suchen, der bei diesem Zusammentreffen fehlte.
»Gott hat seine Hand über mich ausgestreckt«, sagte der alte Waldläufer; »er hat den Vater von seinem Sohn getrennt.«
»Er ist tot?« rief Diaz aus.
»Er ist Gefangener!« fügte Bois-Rosé schmerzlich hinzu.
»Aber Gott sei Dank, wir sind auf der Spur Don Fabians von Mediana«, fuhr der Grenzjäger lebhaft fort, »und wir haben die Schelme bei der Verfolgung so geschwächt, daß wir ihn ihren Klauen entreißen werden.«
Pepes Stimme und sein Vertrauen auf den glücklichen Ausgang ihres Unternehmens waren immer für den alten Gefährten seiner Abenteuer wie ein auf seine Wunden gegossener wohltuender Balsam, und Bois-Rosé gewann nach diesem Augenblick der Trauer bald wieder seine tatkräftige Zuversicht und seine stoische Ergebenheit in das Schicksal.
Mit Ausnahme einer langen, aber nicht sehr tiefen Schmarre auf der Brust war der junge Komantsche jetzt frisch und gesund, obwohl noch zu schwach, um seinen Marsch wieder beginnen zu können. Von zehn Kriegern, die er mitgebracht hatte, blieben ihm noch sieben und standen abermals vereinigt unter seinem Befehl. Der junge Häuptling mit seinen Kriegern und die vier Weißen bildeten sonach eine kriegerische, entschlossene Truppe von zwölf Streitern.
Nachdem man eine Stunde am Ufer des Flusses geschlafen hatte, fing der erste Schimmer der Morgendämmerung an, den Wald zu erleuchten. Rayon-Brûlant hatte sich vollständig erholt, und die Truppe beschloß, sich wieder auf den Weg zu machen. Da die Apachen trotz ihrer Flucht in der Umgegend verstreut liegen und einen Racheversuch machen konnten, war Bois-Rosé der Ansicht, daß man, anstatt die kleine Schar durch das Absenden einiger Mann zum Herbeischaffen des Kanus zu schwächen, den Fluß, ohne sich zu trennen, wieder hinaufgehen müsse, da man sonst leicht überfallen werden könnte.
Obgleich das Kanu zu klein war, um zwölf Männer zu tragen – es hätte kaum zehn zu tragen vermocht –, so war es doch immer noch die schnellste und bequemste Art, vorwärts zu kommen, da man einmal keine Pferde hatte. Um lange Strecken zurückzulegen, war es freilich weniger schnell als die Beine eines flüchtigen Fußgängers; aber es bot doch wenigstens den Vorteil, daß die Reisenden abwechselnd den so notwendigen Schlaf genießen konnten, ohne anzuhalten und kostbare Zeit zu verlieren.
Diesem unschätzbaren Vorteil verdankte es Bois-Rosé, daß er Tag und Nacht den Spuren Fabians folgen und so die Augenblicke wieder hereinbringen konnte, die verlorengegangen waren, ehe man die Verfolgung, die allem Anschein nach beim nächsten Sonnenuntergang ihr Ende erreicht haben mußte, angefangen hatte. Mit einer Mischung von inniger Freude und nicht weniger lebhafter Besorgnis sah daher der Kanadier die ersten Strahlen dieser Sonne durch den Wald brechen, die bei ihrem Untergang ohne Zweifel einen langen blutigen Kampf beleuchten mußte, dessen unschätzbarer Preis Fabians Leben sein sollte.
Die kleine Schar folgte dem Lauf des Flusses, dessen Wellen im hellen Licht des Tages glänzten, und brauchte nicht mehr als eine halbe Stunde dazu, um denselben Weg wieder zurückzulegen, den sie in der vergangenen Nacht mit allen durch die Vorsicht gebotenen Umwegen gemacht und der sie beinahe zwei Stunden gekostet hatte.
Das Kanu lag noch unberührt im Schutz der Gesträuche, denen man es anvertraut hatte; man brachte es wieder ins Wasser.
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