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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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heftig auf den Tisch. »Der Teufel hole Eure Musik«, rief er in wütendem Ton; »und mich dazu, weil ich mich wie ein Dummkopf dazu verstanden habe, auf Kredit zu gewinnen und bares Geld zu verlieren!«
    »Ihr beleidigt mich!« erwiderte Baraja mit Würde. »Mein Wort hat immer für bares Geld gegolten.«
    »Vorzüglich, wenn Ihr nicht verloren habt ...«
    »Was Ihr da sagt, ist nicht artig«, fiel Baraja ein, indem er die Karten zusammenraffte. »Pfui! Señor Cuchillo, Ihr ärgert Euch über eine so geringfügige Sache! Ich habe die eine Hälfte einer Hacienda verloren, nachdem ich gesehen habe, daß man mir die andere gestohlen hatte, und habe nichts gesagt.«
    »Nun gut! Ich aber sage, was mir beliebt, Señor Baraja; und ich sage es laut!« erwiderte Cuchillo, indem er die Hand ans Messer legte.
    »Ja, Ihr sagt Worte, die Eure Freunde töten. Aber diese Worte tun nichts in der Entfernung«, antwortete Baraja ernst, »und ich habe eine ebenso scharfe Zunge wie Ihr.« Und er zog ein Messer aus seinem Gürtel; Cuchillo machte es ebenso.
    Oroche nahm ruhig sein Instrument wieder auf, das er bei der Unterbrechung Cuchillos einen Augenblick weggelegt hatte, und wie ein Barde der Vorzeit machte er sich bereit, den Kampf zu besingen, von dem er Zeuge war, als Diaz sich plötzlich zwischen die beiden Kämpfer warf. »Schämt euch, ihr Herren Kavaliere!« sagte er. »Leute, die geschaffen sind, sich gegenseitig zu achten!«
    Cuchillo und Baraja behielten ihre drohende Haltung und waren bereit, sich um einiger Quadrupel willen am Vorabend des Tages zu ermorden, an dem sie aufbrechen wollten, um zehnmal mehr zu erobern.
    »Habe ich nicht sagen hören, Señor Cuchillo, daß Ihr der Führer unserer Expedition sein sollt? Ihr gehört Euch also nicht mehr selbst und habt nicht das Recht, Euer Leben in einem persönlichen Streit aufs Spiel zu setzen. Und Ihr, Señor Baraja, habt ebensowenig ein Recht, das Leben unseres Führers zu bedrohen. Also steckt eure Messer in die Scheide und laßt die Sache ruhen.«
    Cuchillo, zum Bewußtsein gebracht, bedachte, daß er mehr als irgend jemand am Erfolg dieser Expedition beteiligt sei und daß er bei einem Kampf auf Leben und Tod – denn das sind meistenteils die Kämpfe mit dem Messer – zuviel aufs Spiel setze.
    Seinerseits dachte auch Baraja, daß die Quadrupel in seiner Tasche besser angewandt werden könnten als im unglücklichen Fall zu den Kosten seines Begräbnisses.
    »Es sei«, sagte Cuchillo; »ich opfere meinen Groll dem allgemeinen Wohl.«
    »Was mich betrifft«, sagte Baraja, »ich bin aufrichtig genug, ein so edles Beispiel nachzuahmen, und lege die Waffen nieder ... Aber ich spiele auch nicht mehr.«
    Die langen Messer kehrten in die Scheide zurück, und die beiden Gegner reichten einander die Hand. Darauf fragte Diaz, um jede Anspielung auf den beigelegten Streit zu vermeiden: »Wer ist der junge Mann, den Ihr mit auf Euer Pferd genommen habt, Señor Cuchillo? Wenn ich nicht irre, so habe ich trotz der scheinbaren Freundschaft feindselige und mißtrauische Blicke bemerkt, die ihr miteinander gewechselt habt.«
    Cuchillo erzählte, wie sie Tiburcio halbtot auf der Straße gefunden hätten, und nannte seinen Namen und alles, was der Leser schon von ihm weiß. Aber diese Frage hatte abermals das Gesicht des Banditen verfinstert, da er sich erinnerte, daß seine Schlauheit an der Vorsichtigkeit des jungen Mannes, den er – anmaßend genug – hatte ausforschen wollen, gescheitert war und daß dieser nämliche junge Mann ihn unter seinem Blick hatte erzittern lassen. Er kehrte also zu seinen tödlichen Plänen gegen den Urheber dieser Widerwärtigkeiten zurück – zu den finsteren Plänen, die einen Augenblick in den Hintergrund getreten waren – und beschloß, Teilnehmer an seiner Rache zu werben. »Ist es euch wohl zuweilen begegnet«, fragte er Diaz und Oroche, »eure Leidenschaften, wie ich es eben getan habe, dem allgemeinen Wohl zu opfern?«
    »Ohne Zweifel!« erwiderte Diaz. »Was mich betrifft«, rief der langhaarige Gambusino mit einer für seinen Charakter ehrenvollen Freimütigkeit, »so hat mein Unstern es immer nötig gemacht, das Gegenteil zu tun.« »Man ist entweder ein rechtschaffener Mann, oder man ist es nicht«, fuhr der Redner fort; »und wenn man sich mit Leib und Seele irgendeiner Sache hingegeben hat, so muß man auch seinen Leidenschaften, seinen Interessen, selbst allen Gewissenszweifeln, die sich in einem empfindsamen Gemüt erheben könnten,

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