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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Trompete schlug an das Ohr Doña Luisas. Dies ist ein zwischen Schiffen gewechseltes Signal, die nachts an gefährlichen Küsten hinsegeln; aber die Gräfin wußte es nicht. Für sie lag etwas so Ungewöhnliches, so Außerordentliches in dem Ton, der von der Seeseite her erklang, daß er ihr wie ein Echo aus einer unsichtbaren Welt vorkam.
    Die Gräfin erhob sich halb aus ihrem Sessel mit einer solchen Ängstlichkeit, als ob sie irgendeine schreckliche Erscheinung erwartete. Ihre erste Bewegung war, nach einer Glocke zu laufen, die sich auf einem Tisch in ihrer Nähe befand; aber bald bekam ihr Stolz die Oberhand; sie errötete darüber, vor einem ihrer Diener eine Schwäche blicken zu lassen, und kniete bei der Wiege ihres Sohnes nieder. Das Kind schlief immer noch seinen tiefen, ruhigen Schlaf und träumte ohne Zweifel von den Liebkosungen seiner Mutter.
    »O mein Gott«, rief sie abermals, »wie schwer zu tragen kommt mir der Name Mediana vor, nach dem ich so ehrgeizig gestrebt habe! Weil denn doch von dem einen oder dem anderen der beiden Brüder dieses Kind abstammen mußte, um diesen Namen fortzupflanzen. So laß wenigstens, o Gott, deinen Zorn nur mich allein treffen!«
    Ihre Stimme verlor sich nun in ein stummes Gebet; dann ließ sie sich noch einmal mit jener Langsamkeit vernehmen, die von einer träumerischen Zerstreutheit und dem Vergessen der äußeren Gegenstände Zeugnis ablegt, während die Seele sich im Reich der Ahnungen und Erinnerungen verloren hat.
    Die Gräfin hatte sich so in ihre Träumereien vertieft, daß sie ein dumpfes Geräusch außerhalb nicht hörte, das dann und wann die klagenden Töne des Nachtwinds unterbrach, der an den Fensterscheiben rauschte. Dann schien dieses anfänglich gedämpfte Geräusch sich bis auf den Balkon zu erheben; das Fenster wurde heftig aufgerissen, ein Windstoß fuhr durch das Zimmer, machte das Licht der Lampe in einer langen Flamme emporflackern, und in dieser unsicheren Beleuchtung ging ein Mann auf die Gräfin zu, die vor Schreck wie versteinert war. –
    Ehe ich weitergehe, glaube ich hier daran erinnern zu müssen, daß ich nur erzähle und nicht erfinde. Man hat Gott sei Dank solche Entwicklungen wie diese hier ziemlich abgenutzt, so daß ich mir ein Gewissen daraus gemacht hätte, noch einmal öfter einen jener nächtlichen Helden einzuführen, die vorgeben, sich lieber auf einer Strickleiter als auf einer gewöhnlichen Treppe da einzuführen, wo man sie am wenigsten erwartet hat.
    Gewiß, wenn ich diese Erzählung aus dem Mund irgendeines anderen Mannes als dem des Waldläufers, der sie mir geliefert hat, vernommen hätte, so hätte ich ihn im Verdacht gehabt, die Traditionen der Phantasiestücke seiner Jugend mit seinen wirklichen Erinnerungen zu vermischen; aber der brave Kanadier war in der Steppe geboren und hatte nur in ihr gelebt. Er war nur selten Zuschauer und viel öfter Darsteller in jenen Dramen gewesen, die in den Wäldern oder in den Steppen aufgeführt werden und deren Entwicklung schnell ist wie der Pfeil oder der Tomahawk des Indianers oder die auch – wie deutsche Dramen – ganze Tage währen und von denen die Überlebenden allein die Einzelheiten erzählen können. –
    Wenn der Blitz vor den Füßen der Gräfin eingeschlagen hätte, so hätte ihre Betäubung nicht größer sein können als diejenige, die in ihrer Seele auf die erste Bewegung des Schreckens folgte. Als ob ihre Erinnerungen die Kraft eines Zaubers gehabt hätten, ein Gespenst herbeizurufen, so sah sie vor sich Don Antonio de Mediana selbst in aufrechter, drohender Haltung. Beim Anblick eines Mannes, der nächtlich ihren Balkon erstieg, hatte die Gräfin – wie gesagt – einen lebhaften Schrecken empfunden; dann wurde ihr Erstaunen noch lebhafter, als sie mit einem zweiten Blick den Mann dieses sonderbaren Besuchs erkannt hatte; ihre Furcht jedoch verschwand.
    Mit Recht oder Unrecht schreiben die Frauen der Liebe, die sie einflößen, einen außerordentlichen Einfluß zu. Wenn wirklich – nach einer poetischen Darstellung – eine unschuldige Jungfrau einen Löwen zahm machen kann, so sieht eine erfahrene Frau es immer für eine leichte Aufgabe an, den Mann zu besänftigen, der sie geliebt hat.
    Es ist wahr: bei den meisten Männern ist dieser Einfluß ansteckend; aber dieser hier gehörte unglücklicherweise für Dona Luisa zu denen, die auf die Liebe einer Frau, wenn sie nicht mehr von gewissen Verhältnissen getragen wird, nur geringes Gewicht legen. Ich meine,

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