Der Waldläufer
aus.«
»Aus!« riefen Beide, indem es schien, als seien sie durch diese Schreckensbotschaft vollständig ernüchtert worden.
»Ja; aus!«
»Warum? Inwiefern?«
»Weil es Einen gibt, der sie uns streitig macht.«
»Wer ist das? Ich schlage ihn auf der Stelle nieder!« versicherte Oroche, indem er seine Mandoline ergriff und mit derselben eine Bewegung machte, als wolle er sie Jemandem an den Kopf schmettern.
»Und ich stecke ihm ganz leise und still mein Messer zwischen die Rippen,« betheuerte Baraja, dessen furchtsame Natur mehr zu einer solchen Meuchelthat geeignet schien.
»Tiburcio!«
»Tiburcio? Was hat der mit unserer Bonanza zu schaffen?«
»Sehr viel. Er ist bereits schon einmal dort gewesen, will sein Eigenthumsrecht auf sie geltend machen und hat sich Don Estevan nur angeschlossen, um uns auszuforschen.«
»Er muß sterben!«
»Ja, sterben muß er!«
»Das sagt Ihr wohl, aber zwischen Wort und That ist ein weiter Raum!«
»Ein Raum? Gar keiner, nicht so breit wie mein Finger, nicht so viel, daß mein Haar drauf Platz hat! Was gebt Ihr, Cuchillo, wenn ich ihm eins versetze?«
»Um was habt Ihr gespielt?«
»Um nichts. Unsere Taschen sind so leer, daß man darüber weinen könnte.«
»So soll Euch geholfen werden! Seht Ihr diesen Quadrupel, Baraja?«
»Natürlich! Her damit!«
»Und Ihr diesen, Oroche?«
»Her, sage ich!«
»Sobald Tiburcio einige Zoll kaltes Eisen im Fleische hat, bekommt Ihr beide!«
»Dann sind sie so gut wie schon verdient. Wir wollen dem Schurken lehren, uns unsere Bonanza streitig zu machen. Wo ist er, Cuchillo? Ich will hin zu ihm!«
»Wartet einige Minuten! Ich werde sehen, ob er zu finden ist.«
Er trat hinaus auf den Hof und umschlich das Gebäude. Ein Zimmer des Erdgeschosses war hell erleuchtet; an dem geöffneten Fenster lehnte Rosarita und athmete die Düfte der Blumen, welche auf dem Platze standen. Er ging weiter. An der andern Seite des Hauses war nur ein Fenster Licht, und er bemerkte den Schatten eines Mannes, welcher im Zimmer auf-und abging.
»Das ist Arellanos!«
Er überlegte, wie man am Besten da hinauf kommen könne; da verlöschte das Licht.
»Er geht schlafen. Die Thür an der Freitreppe ist offen; er wird die seinige auch nicht verschlossen haben. Es wird möglich sein.«
Er wandte sich zu dem Nebengebäude zurück, wo die Genossen saßen. Er hatte zu seinem Rundgange doch etwas mehr Zeit gebraucht, als erst zu vermuthen war, und als er eintrat, sah er auf den ersten Blick, daß er auf die beiden Banditen nun nicht mehr rechnen könne. Sie hatten den Krug vollends geleert, Baraja lag unter dem Tische und Oroche mit seinem halben Leibe auf demselben, keiner seiner Sinne mehr mächtig. Es blieb ihm nichts mehr übrig, als Arechiza wieder aufzusuchen und ihm den Stand der Dinge mitzutheilen.
Eben huschte er über den Hof, da kam eine Gestalt leise die Freitreppe herab und ging der Gegend zu, in welcher das Licht aus den Fenstern Rosaritas glänzte.
»Das war er wieder! Auch er will den Blumenduft genießen; es soll der letzte Genuß sein, den er findet!«
In der nächsten Minute stand er vor Arechiza.
»Nun?«
»Ich habe noch nichts thun können.«
»Warum?«
»Baraja und Oroche haben sich um den Verstand getrunken und sind keines einzigen Schrittes fähig.«
»Und Arellanos?«
»Geht unten promeniren. Hätte ich nur Einen noch, so wäre es bald geschehen!«
»Ist dieser Eine so nöthig?«
»Für unvorhergesehene Fälle.«
Don Estevan hatte bereits abgelegt; er steckte den Dolch wieder zu sich und entschied, kurz entschlossen:
»Ich gehe mit!«
Tiburcio befand sich unter einem Dache mit dem »Stern von Sonora«. Dieser Gedanke ließ ihn an keine Ruhe denken; er trieb ihn im Zimmer auf und nieder und dann hinunter in die laue Nacht. Da sah er den Schein des Lichtes und erkannte Rosarita.
Würde sie zürnen, wenn sie ihn bemerkte? Durfte er sie anreden? Sein zaghafter Fuß zauderte, dennoch aber setzte er ihn vorwärts und gelangte so in die Nähe des Fensters. Die Helle überfluthete seine Gestalt, und Rosarita erkannte ihn.
»Tiburcio!«
»Sennora!«
»Dünkt Euch der Duft der Violen süßer als die Ruhe?«
»Ich habe auch ohne diesen Duft keine Ruhe!«
»Warum?«
»Fast weiß ich es nicht, Donna Rosarita.«
»Es drückt Euch irgend ein Leid. Kommt, vertraut mir es an!«
Er trat an das niedere Fenster, und befand sich nun in unmittelbarer Nähe ihres Köpfchens und ihrer Hand.
»Ist es der Tod der Mutter, der Euch so
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