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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gehärteten Züge schienen aus Bronzefluß gegossen zu sein, und es lag in ihnen ein Ausdruck der Güte, welche in einem freundlichen Gegensatze zu der herkulischen Stärke seiner Glieder stand. Die Natur ist so vorsichtig, diesen Kolossen ebenso viel Milde wie Körperkraft zu verleihen.
    Sein Gefährte war, obgleich einen Kopf kürzer, nichts weniger als ein Zwerg zu nennen, vielmehr mußte er, Andern gegenübergestellt, unbedingt ein Enaksohn genannt werden. Seine schwarzen Augen und der Schnitt seines Gesichtes zeugten von ebenso viel geistiger Beweglichkeit wie Kühnheit. Seine Kleidung und Ausrüstung war ganz dieselbe Bois-rosé’s.
    Die Verbindung dieser beiden Männer mußte jeden Feind zur Vorsicht mahnen, und es war sehr leicht zu glauben, daß sie gewohnt seien, es auch mit einer beträchtlichen Uebermacht ohne Furcht und Zagen aufzunehmen.
    Der Kanadier betrachtete den schmorenden Braten mit sichtbarem Wohlbehagen.
    »Dieser Don Augustin Pena scheint ein ganz prächtiger Kerl zu, nach den Hammeln zu schließen, welche er in seinen Heerden hat. Diese Keule scheint mir eine Delikatesse zu sein, von welcher ich mir sicherlich einige gute Stücke herabschlitzen werde.«
    »Ich glaube dennoch,« antwortete Pepe, »daß sie in der Hazienda heut noch größere Delikatessen gespeist haben. Dieser Don Estevan de Arechiza tritt auch hier in einer Weise auf, daß man ihm sicher in keiner Hazienda einen magern Empfang bereiten wird.«
    »Also Du bist wirklich sicher, daß es der Graf Antonio de Mediana ist?«
    »Gerade so sicher, wie ich nun weiß, daß Du den kleinen Fabian, den er verderben wollte, gerettet hast.«
    Das gutmüthige Gesicht des Riesen verklärte sich.
    »Pepe, ich war bis zu dem Augenblicke, an welchem ich das Kind in dem treibenden Kahne fand, ein einsamer Kerl. Ich hatte weder Vater noch Mutter gekannt, besaß keine Geschwister, hatte weder Freund noch Frau und habe mich des Knaben angenommen mit ganzer, voller Seele. Er wuchs mir an das Herz, als sei er ein eigen Stück von mir, und seit mich diese Engländer von ihm trennten, habe ich weiter keinen Wunsch als zu erfahren, ob er noch lebt oder damals zu Grunde gegangen ist. Freilich wird mir dieses Verlangen wohl niemals erfüllt werden, da mich das Schicksal von der See in die Wälder und Savannen führte, wo an eine Gelegenheit zur Erkundigung nimmermehr zu denken ist.«
    »Das ist noch kein Grund die Hoffnung aufzugeben, Rosenholz! Denk an den Grafen Antonio. Ich mußte fliehen, weil ich, so lange ich lebe, kein Freund vom Thunfischfang gewesen bin, und darf wohl nie nach Spanien zurückkehren. Santa Lauretta, ich hatte bereits meinen Schwur, mit ihm noch einmal Abrechnung zu halten, vergessen, als ich ihn bei der Cisterne erkannte! Warum sollte nicht auch Dir ein solches Wiedersehen möglich sein?«
    »Möglich, aber nicht beschieden! Wie sollte ich den Jungen erkennen, selbst wenn er mir einmal begegnete?«
    »An der Narbe, die von meinem Messer stammt. Hat sie nicht auch uns als Beweis gedient, daß der Knabe, den Du fandest, ganz derselbe ist, welchen ich verwundete?«
    »Der Schnitt ging nicht tief; die Zeit wird seine Spur wohl vollständig verwischt haben; und die Züge eines Kindes verändern sich in so langer Zeit so sehr, daß ein Erkennen gar nicht möglich ist. Bei Don Arechiza war das etwas ganz anderes. Als Du ihn kennen lerntest, hatte er ein bereits vollständig ausgeprägtes Gesicht, welches wohl altern aber seine Grundlinien nicht verändern konnte.«
    »Dann ist dies auch bei mir der Fall, und es steht zu erwarten, daß auch er mich wieder erkannt hat, zumal er meinen Namen Pepe Dormillon hörte.«
    »Er wird Dich und mich noch besser kennen lernen!«
    »Das will ich meinen! Ich war in Elanchovi der ›Schläfer,‹ weil ich mich gegen den Hunger zu wehren hatte, welcher der einzige Sold meiner prächtigen Stellung war. Seit jener Zeit habe ich die Augen offen gehabt und werde mir einen Fang wie diesen nicht entgehen lassen. Wenn die Gesetze des Staates Partei für den Verbrecher nehmen, so muß – – –«
    Er vollendete den Satz nicht, sondern hatte mit einem raschen Griffe seine Büchse erfaßt und stand im nächsten Augenblicke hinter den Büschen. Er hatte eine Gestalt bemerkt, welche sich der Lagerstätte vorsichtig zu nähern suchte. Bois-rosé hatte mit dem Rücken nach der Hazienda zu gesessen und also nichts sehen können, stand aber dennoch im Nu neben ihm.
    »Halt! Wer seid Ihr?« rief Pepe, das Gewehr

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