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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kümmert, Tiburcio?«
    »Er hat mir schwere Sorge gebracht, doch werde ich sie nicht lang zu tragen haben. Doch das größte Leid, welches den Menschen drücken kann, muß er tief im Herzen verschließen, denn wo gibt es eine Seele, die es ihm abnehmen will, daß er es vertrauen darf?«
    Sie bog sich weiter zu ihm heraus.
    »Ihr habt für mich gekämpft, Ihr habt für mich gewacht; Ihr seid so gut und tapfer. Laßt uns mit einander plaudern!«
    Sie sprach so lieb und freundlich; die Bangigkeit wich von ihm, und bald plauderten sie wie zwei ahnungslose Kinder über Alles, was in den Bereich ihrer Rede kam, so daß sie nicht bemerkten, daß sich zwei Gestalten herbeigeschlichen hatten, die nun unter einigen in der Nähe stehenden Pomeranzen-und Citronenbäumen standen. Er hatte ihr Händchen gefaßt und kehrte den Bäumen den Rücken zu.
    »Vorwärts, Cuchillo: jetzt ists Zeit!« flüsterte Arechiza.
    Der Bandit zog das Messer und warf sich mit zwei Sprüngen auf ihn. Ein Aufschrei Rosarita’s rettete ihn vor dem sichern Tode. Er machte eine schnelle Wendung, und der nach dem Herzen geführte Stoß traf nur den Arm. Im nächsten Augenblicke schon lag Cuchillo unter ihm und stöhnte unter dem Drucke der Hand, die sich um seine Kehle gelegt hatte.
    »Sennor Cuchillo, betet ein Paternoster; es ist aus mit Euch!«
    »Tiburcio!« rief Rosarita mit entsetzlicher Angst.
    Er blickte auf. Eine zweite, verhüllte Gestalt hob die Hand, in welcher eine Klinge blinkte. Er bog sich zurück, schnellte empor, faßte den jetzigen Angreifer und schleuderte ihn unter die Bäume zurück. Dann stand er mit einem gedankenschnellen Sprunge im Zimmer des Mädchens.
    »Verzeiht, Donna, aber hier bin ich sicher!«
    »Ja, kommt zu mir! Bleibt, bleibt, und geht nicht wieder fort, sonst morden sie Euch!« bat sie todesbleich und vor Entsetzen zitternd, indem sie in den Sessel sank und ihm die Hände flehend entgegenstreckte.
    Er schloß das Fenster und trat dann tief in das Zimmer zurück.
    »Kanntet Ihr sie, Sennorita?«
    »Nein; ich habe nur die Gestalten gesehen.«
    »Es war Cuchillo und Don Estevan.«
    »Don Estevan, der Herzog?«
    »Der Herzog?« frug er verwundert.
    »Ach ja, das wißt Ihr doch nicht! Es ist ein tiefes Geheimniß, aber Euch darf ich es sagen: Don Estevan heißt eigentlich Graf Antonio von Mediana oder Herzog de Medina. Er ist der Besitzer dieser Hazienda und kann es nicht gewesen sein, der Euch überfiel.«
    »Er war es, und ich kenne nun auch den Grund, wegen dem er mir nach dem Leben trachtet.«
    »Welcher ist es?«
    »Laßt mich ihn verschweigen! Die Hazienda ist sein Eigenthum? Dann bin ich hier keinen Augenblick mehr sicher. Erlaubt, daß ich gehe!«
    Ehe sie es zu verhindern vermochte, hatte er die Thür geöffnet und war im Dunkel des Korridores verschwunden. Erst jetzt bemerkte sie das Blut, welches aus seiner Wunde auf die Diele geflossen war.
    »Er ist verwundet! Er wird sterben!«
    Sie nahm die Kerze und eilte ihm nach. Droben hörte sie Schritte erklingen; er kam schon wieder die Treppe herab, die Serape übergeworfen und die Büchse in der Hand.
    »Ihr könnt nicht fort, Tiburcio; Ihr seid ja verwundet!«
    »Eine leichte Schramme, Donna, die nichts zu sagen hat.«
    »O, kommt herein; ich werde Euch verbinden!«
    Sein Blick leuchtete auf und senkte sich dann beruhigend auf ihr angstvolles Gesicht.
    »Ich danke Euch, Sennorita! Draußen finde ich ein Kraut, welches besser ist, als jeder Verband. Lebt wohl!«
    Sie faßte ihn bei der Hand und hielt ihn fest.
    »Ich darf es nicht leiden! Ihr habt uns gerettet und beschützt, und seid dafür bei uns überfallen worden; Vater muß Euch Genugthuung verschaffen!«
    »Das ist ihm unmöglich. Die Genugthuung, welche ich haben muß, kann nur ich selbst mir nehmen, und Euer Haus darf nicht der Schauplatz eines Kampfes sein, wie er nur hinaus in die Savanne paßt.«
    »Tiburcio!«
    »Rosarita!«
    Er führte ihre Hände an seine Lippen.
    »Lebt wohl für heut!«
    Dann eilte er die Freitreppe hinab, über den Hof hinüber und zum Thore hinaus.
    Draußen weideten die Pferde; das seinige befand sich unter ihnen; er suchte seinen Sattel unter den übrigen hervor, zäumte es auf, schwang sich empor und ritt davon. Drüben vom Walde leuchtete, halb von Büschen verdeckt, ein Lagerfeuer herüber. Dort konnten sich nur Jäger oder Vaqueros befinden, die ein Quartier im Walde dem weichlichen Bette vorzogen, und bei ihnen fand er sicher freundliche Aufnahme. Er lenkte sein Pferd zu

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