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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihnen hin.
    Der Theil der Ebene, welcher hinter der Hazienda lag, befand sich ganz in demselben Zustande, in welchem ihn die ersten Ansiedler vorgefunden hatten, das heißt, er lag noch unbebaut und wild da. In der Entfernung eines Büchsenschusses erhoben sich die ersten Bäume, welche den Saum eines ungeheuren Waldes bildeten. Dieser erstreckte sich weit nach Norden bis an die Grenzen der Wüsten, jenseits welcher das Präsidio Tubac liegt.
    Der schlecht gebahnte Weg, der den Wald in dieser Richtung durchzog, war der einzige, auf welchem man das Präsidio erreichen konnte, und wurde von einem Strome durchschnitten, der zwischen hohen und steilen Ufern dahinrauschte. Er wurde durch den an der Hazienda vorüberfließenden Bach gebildet, der in seinem Laufe noch mehrere solche Wasser aufnimmt, bevor er so reißend wird. Eine Art roher Brücke, durch zwei neben einander gelegte Baumstämme gebildet, verband die beiden Ufer mit einander und ersparte so dem Reisenden einen langen Umweg, welcher nothwendig war, wenn man den Strom an einer seichteren Stelle passiren wollte.
    In der Nähe dieses Weges und etwa in der gleichen Entfernung zwischen der Hazienda und der genannten Brücke brannte das Feuer, welches Tiburcio gesehen hatte. Seine flackernde Helle erleuchtete die dunkelgrüne Baumdecke und traf die graue Rinde der Mangles (Wurzelbäume), der Summache, die runzeligen Stämme der Korkeichen und das bleiche Laub der Eisenbäume. Die grünen und gelben Moose flimmerten unter den sammetnen Netzen der großen Aronblätter, welche mit Blüthen, silbernen Bechern ähnlich, geschmückt waren. Die herabhängenden Lianen glühten unter dem Einflusse der Flamme wie aus einem Feuerofen hervorgehende Eisendrähte, und die fernen Tiefen des Waldes, über welchem ein Schweigen lag, das kaum durch die dumpfe Stimme des zwischen seinen steinernen Ufern dahinbrausenden Flusses gestört wurde, lagen hinter der von dem Feuer erhellten Stelle wie ein düsteres, unheimliches Mysterium, dessen Schleier die menschliche Hand nur unter tausend Gefahren zu lüften vermag.
    Am Feuer lagen Bois-rosé und Dormillon.
    In einer Gegend, wo es keine menschlichen Wohnungen gegeben hätte, würde eine so gewöhnliche Thatsache, wie ein Lagerfeuer inmitten eines Waldes ist, von keinerlei Bedeutung gewesen sein, hier aber in der Nähe der Hazienda, in welcher jedem Reisenden gern und willig Gastfreundschaft geboten wurde, mußten besondere Gründe vorliegen, daß die beiden Jäger den Wald einer größeren Bequemlichkeit vorgezogen hatten.
    Ein ziemlich großer Haufe dürrer Aeste und Zweige, welcher neben dem Feuer lag, zeigte an, daß sie gesonnen seien, die ganze Nacht an diesem Orte zuzubringen. Zwei gabelförmige Aeste staken zu beiden Seiten der Flamme, und auf ihnen drehte Dormillon eine an seinen Ladstock gespießte Hammelkeule, von welcher das Fett in großen Tropfen in die Gluth fiel und ein vielversprechendes Prasseln und Zischen verursachte.
    Bois-rosé, zu deutsch Rosenholz, trug eine Kleidung, welche ungefähr die Mitte zwischen derjenigen eines Indianers und eines Weißen hielt. Auf seinem Kopfe saß in Form eines Kegels eine aus Fuchspelz gefertigte Mütze. Ein baumwollenes Hemd mit blauen Streifen bedeckte seine breiten Schultern, und neben ihm auf dem Boden lag ein aus einer wollenen Decke verfertigter Mantel. Seine muskulösen Beine staken in indianischen Leggins, und an den Füßen trug er dicht mit eisernen Nägeln beschlagene Schuhe, auf denen man mehrere Jahre zu gehen vermochte.
    Ein mit vieler Sorgfalt polirtes Büffelhorn, welches sein Pulver enthielt, hing über seiner Achsel, während in einem ledernen Beutel, welcher zu dem Horne ein Gegenstück bildete, sich ein großer Vorrath von Bleikugeln befand. Neben ihm lag eine schwere, langläufige Büchse, dieselbe, welcher nur die Sang-Mêlé abgenommene Flinte Tiburcio’s ebenbürtig war, und in einem wollenen, bunten Gürtel stak ein Jagdmesser mit starker, zweischneidiger Klinge.
    Sein riesiger Wuchs ließ in ihm einen jener kühnen Jäger erkennen, die von den ersten in Kanada angesiedelten Normännern abstammen, und die man jetzt so selten mehr findet. Sein Haupthaar fing bereits an ins Graue zu fallen, und eine große, von einer Schläfe zur andern über die Stirn gehende Narbe deutete an, daß es sich einst in großer Gefahr befunden haben müsse. Bois-rosé hatte jedenfalls einmal nahe daran gestanden, skalpirt zu werden.
    Seine von Sonne, Sturm und Wetter gebräunten

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