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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Vorderste der Wilden eingeholt, warf ihm den Lasso um den Hals und riß ihn vom Pferde.
    Der Indianer hatte eine dunklere Farbe als die andern, und sein Federschmuck zeigte ihn als einen Häuptling an. Es war Schwarzvogel.
    Die drei Jäger lagen noch immer hinter dem Saume des Inselchens verborgen.
    »Was thun wir, Rosenholz?« frug Pepe.
    Der Gefragte wendete sein Gesicht zu Fabian.
    »Fabian, mein Sohn, willst Du mir einmal die volle Wahrheit antworten?«
    »Frage, Vater!«
    »Noch nie in Deinem Leben hast Du Dich in so großer Gefahr befunden wie jetzt. Der Mann ist ein Weißer. Geben wir ihn verloren, so retten wir uns vielleicht, denn es ist wohl kaum anzunehmen, daß sie von unserem Hiersein Kenntniß haben. Nehmen wir ihn in Schuß, so geben wir uns frei. Ich und Pepe werden thun, was Du für das Beste hältst Entschließe Dich schnell!«
    »Wir retten ihn!«
    »Gut! Nehmt Eure Gewehre her und schießt nicht eher, als bis ich es Euch sage!«
    Die zwanzig Indianer hatten den Weißen erreicht und, ohne abzusteigen, ihn von dem Lasso befreit. Da gab der Häuptling einen Wink. Fünf seiner Leute stiegen ab, um den Gefangenen festzuhalten. Schwarzvogel zog, während sein Pferd wie eine Statue stand, das Messer.
    »Teufel,« meinte Bois-rosé, »sie wollen ihm bei lebendigem Leibe den Skalp nehmen, wie die Ogellallah’s damals mir, als Du noch zur rechten Zeit kamst! Gieb dem Häuptling eine Kugel, gerade einen Zoll beim Ohr vorbei, Pepe!«
    »Warum nicht in den Kopf?«
    »Er ist ein Mensch und soll nicht ungewarnt alle gemacht werden!«
    Der Schuß krachte gerade in dem Augenblicke, als der Schnitt vor sich gehen sollte; die Kugel flog einen Zoll von dem Kopfe Schwarzvogels vorüber, aber der Häuptling zeigte nicht die geringste Spur von Schreck oder auch Ueberraschung. Er lenkte sein Pferd bis hart an das Wasser heran und warf einen scharfen, forschenden Blick auf die Insel.
    »Santa Lauretta, er hat gewußt, daß wir hier sind!« meinte Pepe, indem er sein Gewehr wieder lud.
    »Nicht blos das,« fügte Rosenholz bei, »sondern er weiß auch, daß wir keine ehrlosen Mexikaner sind, sonst würde er sich unsern Kugeln nicht so unvorsichtig preisgeben. Jedenfalls sind wir von einem Kundschafter beobachtet worden!«
    Da legte der Wilde die Hände wie ein Sprachrohr an den Mund und rief herüber:
    »Die weißen Männer mögen sich erheben, damit der große Häuptling der Apachen mit ihnen sprechen kann!«
    Bois-rosé richtete sich in seiner vollen Länge empor, und ein zufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen, als er sah, daß der Indianer im Erstaunen über die riesenhafte Gestalt einige Schritte zurücktrat.
    »Was hat der rothe Mann mir zu sagen?« donnerte er mit seiner Kontrabaßstimme hinüber.
    »Ist der weiße Mann ein Häuptling, daß ich mit ihm sprechen kann, oder soll einer meiner rothen Männer mit ihm reden?«
    »Der weiße Mann ist ein König im Walde und ein Fürst in der Savanne; er wird mit keinem gewöhnlichen Indianer sprechen, doch erlaubt er dem Häuptling der Apachen, seine Stimme zu erheben!«
    Bois-rosé kannte seine Leute und war gewillt, sich in den möglichsten Respekt zu setzen.
    »Warum schießt mein Bruder auf meine rothen Söhne?«
    »Warum hindert mein Bruder meinen weißen Sohn, zu gehen wohin er will?«
    »Dieses Bleichgesicht ist weder der Bruder noch der Sohn des großen Königs aus dem Walde. Der Fürst in der Savanne kommt von Mitternacht, das Bleichgesicht aber von Mittag. Hat Schwarzvogel, der Häuptling der Apachen, recht gesprochen?«
    »Er hat recht gesprochen, doch vergißt er, daß alle Bleichgesichter Brüder sind. Er lasse den Gefangenen frei, damit die Stimme meiner Büchse nicht wieder spreche!«
    »Der Apache fürchtet diese Stimme nicht, aber die Krieger vom Mittag fliehen vor ihr. Mein großer, weißer Bruder komme in unser Lager und kämpfe mit uns gegen das Lager der Bleichgesichter. Wir werden das Kalumet (Pfeife) mit ihm rauchen und ihm tapfere Gefährten sein.«
    »Will mein rother Bruder meinen Namen hören?«
    »Der Fürst der Savanne nenne ihn!«
    »Die rothen Männer, so weit die Prairie und das Gebirge reicht, nennen ihn den ›großen Adler.‹ Hat mein Bruder diesen Namen schon vernommen?«
    »Er hat ihn gehört,« antwortete der Indianer, der eine Geberde der Achtung nicht zu unterdrücken vermochte.
    »So wird mein rother Bruder auch wissen, daß der ›große Adler‹ gerecht und freundlich ist. Er wird den rothen Kriegern kein Leid thun, sich

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