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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Kommandostand und betrachtete das Schiff, das aussah wie nach einem schweren Gefecht. Überall schwangen Taue lose herum, gebrochene Planken ragten aus dem Schiffskörper empor, Spieren und Grätings waren zerschlagen, von den drei Masten der Thunderbird stand keiner mehr.
    Doch Taggart wollte sich nicht beklagen. Alle Männer, bis auf Whitbread, waren mit dem Leben davongekommen, sogar die weiblichen Passagiere. Und er selbst hatte es geschafft, wenn auch um Haaresbreite, mit einem Notrigg um die Nordwestspitze Spaniens herumzumanövrieren. Natürlich ließ der Zustand des Schiffs es nicht mehr zu, den großen Schlag über das gefährliche Westmeer zu segeln, aber die Schäden waren reparabel. Er nahm sich vor, die Hafenstadt Vigo anzulaufen und das Schiff dort in die Werft zu geben. Pembroke und seine Lady würden sich für die Zeit der Reparaturen in Geduld üben müssen. Und zahlen würde Pembroke auch, denn er konnte es sich leisten. Wie auf Bestellung kam der Lord in diesem Augenblick aufs Achterkastell geklettert.
    »Captain Taggart, Sir!«
    »Was kann ich für Euch tun, Mylord?«
    »Ich möchte Euch aus ehrlichem Herzen ein
    Kompliment machen. Ihr habt mit Eurer Mannschaft während des Sturms wirklich Großartiges geleistet. Meine Gebete sind erhört worden. Ihr habt uns allen das Leben gerettet! Ich danke Euch, auch im Namen der ... äh ... der jungen Lady, der Hebamme und natürlich des Kindes.«
    »Nicht der Rede wert, Mylord. Was ist es denn, ein Junge oder ein Mädchen?«, fragte Taggart höflich.
    »Nun ... äh ... ein Junge.«

    Der Abt Hardinus

    »Ich war mir sicher, dass es dich reizen würde,
    dem Geheimnis auf den Grund zu gehen.
    Aber es will wohl überlegt sein,
    wohin du dich wendest. „

    G ott hat mich vergessen«, pflegte Abt Hardinus lä-chelnd zu sagen, wenn man ihn auf sein hohes Alter ansprach. Und um Missverständnissen vorzubeugen, fügte er stets noch ein spitzbübisches »Bisher jedenfalls« hinzu. Denn natürlich wusste er, dass Gott keine Fehler machte und auch ihn eines Tages zu sich rufen würde. Schließlich, in
    seinem
    zweiundneunzigsten
    Lebensjahr,
    spürte
    Hardinus, dass es bald so weit sein würde. Begonnen hatte es fast unmerklich. Kurze Momente waren es zunächst gewesen, in denen er nichts mehr sehen konnte. Schwindelanfälle waren hinzugekommen. Es folgten Lähmungserscheinungen in den Füßen, den Beinen und sogar in den Armen. Einzig sein messerscharfer Verstand hatte noch keinen Schaden genommen. So war er in der Lage, den Verfall seines Körpers interessiert wie ein Arzt zu verfolgen.
    An dem Tag, da er morgens fühlte, dass er sein Lager nicht mehr verlassen würde, war er deshalb nicht unvorbereitet. Er blieb ganz ruhig, obwohl er spürte, dass seine Lebensuhr fast abgelaufen war. Er legte seine Hände zusammen, schloss die Augen und betete:

    »Allmächtiger Gott, Du Gnadenreicher,
    ich bitte Dich, gib mir in meinen letzten Stunden die Weisheit, das Richtige zu tun.
    Auf dass ich mein Haus bestelle und fröhlich vor Dich hintreten kann ...«

    Er hielt inne und versuchte, die ihm verbliebenen Kräfte zu sammeln. Er hoffte, sie würden ausreichen, um die notwendigen Gespräche mit den Brüdern zu führen und um anschließend, noch bei Bewusstsein, das heilige letzte Sakrament zu empfangen.
    Würde Gott ihm diese Gnade erweisen?
    Er öffnete die Augen wieder und blickte nach oben, in stiller Zwiesprache mit seinem Schöpfer. Dann glitt ein Lächeln des Verstehens über seine Züge. Er kannte jetzt die Antwort.
    »Amen!«, sagte er fest.
    Mühsam wandte er sich zur Seite und tastete nach dem Glöckchen, das neben ihm auf einem Holzschemel lag. Er klingelte.
    Wenige Augenblicke später erschien Gaudeck, sein persönlicher Sekretär. Pater Gaudeck stammte aus dem Fränkischen; er war Mitte vierzig, groß, kräftig - und die Zuverlässigkeit in Person. Er diente dem Abt schon seit zehn Jahren und war unverbrüchlich treu.
    »Guten Morgen, Ehrwürdiger Vater«, sagte Gaudeck freundlich, als er sich dem Lager näherte, »die Brüder haben Euch schon bei der Prim vermisst. Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen? Darf ich Euch etwas bringen?«
    »Danke. Du bist fürsorglich wie stets, mein lieber Gaudeck. Aber alles, was ich brauche, ist Ruhe. Und die habe ich schon.«
    »Kann ich denn gar nichts für Euch tun?«
    »Doch. Bitte lasse Pater Thomas und Pater Cullus rufen. Und gib auch Vitus Bescheid. Ich möchte, dass sie, zusammen mit dir, in meinen letzten Stunden bei mir

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