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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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in der Küche heißes Wasser und ein paar Meerrettichwurzeln zu besorgen. Ist kein Meerrettich da, tun's auch Zwiebeln. Bist du so gut, Enano?«
    »Wui, Vitus, bin schon unterwegs.«
    »Was habt Ihr nun im Einzelnen festgestellt?« Lord Collincourt setzte sich stöhnend auf den Bettrand.
    »Ihr habt großes Glück gehabt, Mylord. Ihr seid hauptsächlich mit Kopf und Brustkorb auf den Boden geprallt, wobei gottlob nichts Tragisches passiert ist. Die Schädelknochen, insbesondere das Dach, die Kalotte, scheinen heil geblieben zu sein, nur auf der rechten Rumpfseite habt Ihr zwei oder drei Rippen gebrochen. Neben den Schmerzen, die Ihr dort verspürt, dürfte auch Euer Kopf gewaltig brummen.«
    »Das trifft wahrhaftig zu.«
    »Streckverband für die Rippen?«, fragte der Magister knapp. »Ja.« Vitus schaute den alten Herrn aufmunternd an. »Wir machen Euch jetzt einen festen Verband, damit die Rippen ruhig gestellt sind und verheilen können. Bleibt einfach so sitzen, es geht gleich los. Der Magister ist ein Meister im Verbinden. In der Zwischenzeit bereite ich alles für einen schmerzlindernden Trank vor. Ich denke, Weidenrinde mit einer Prise getrockneter Opiummilch wird bei Euch Wunder wirken. Dazu machen wir Euch, je nachdem, einen Meerrettich-oder Zwiebelwickel für den Nacken.«
    »Ich bin Euch sehr verbunden, Vitus von Campodios. Vielleicht ist es eine Fügung des Schicksals, dass ich Euch traf.«
    »Heilige Mutter Gottes, was soll ich nur mit meinem schönen Mandelkäse und dem Schweinswildbret machen? Der Lord kann doch nichts essen in seinem Zustand! Dazu die gefüllten Tauben, der gebackene Hecht ...«
    Mrs. Melrose stand in ihrer Küche und rang die Hände. In dem großen, von der Kochstelle verrußten Raum war das gesamte Gesinde versammelt und aß zu Abend. Stallknechte, Dienstboten, Gärtner, Mägde und Küchenhilfen saßen an langen Bänken um den Tisch, verzehrten geröstetes Brot und gebratene Heringe und redeten über die ungewöhnlichen Ereignisse des Nachmittags.
    »Na was wohl! Gebt's einfach uns! Aber wie ich Euch kenne, haltet Ihr Euch lieber an den Spruch »Selber essen macht fett«, und das sieht man ja auch!«, rief Keith, der vorlauteste der Stallburschen. Er war ein drahtiger Achtzehnjähriger mit stark abstehenden Ohren, der ausgesprochen hatte, was alle wussten: Lieber hackte sich Catherine Melrose die Hand ab, als dass sie damit etwas unter die Leute verteilte.
    »Sag das noch mal!«
    »Selber ess... autsch! Schlagt mich nicht, Mrs. Melrose!
    Wer weiß, wozu ich Euch diese Nacht noch dienlich sein kann, ha-haha!«
    »Dienlich? Du? Pah!«
    »Komm, Catherine!«, rief einer der älteren Diener feixend, »lass es mich dir besorgen! Du weißt doch, wo die größten Würste hängen!«
    Ein Dritter schrie: »Catherine, oh Catherine, erhöre lieber mich! Eine stramme Köchin braucht auch was Strammes in der Hose!«
    Die Dienerschaft johlte. Mrs. Melrose war nicht sehr beliebt.
    »Jetzt reicht's aber, ihr Lumpenpack! Hinter einem großen Maul steckt alleweil ein kleiner Pinsel. Ihr Burschen könnt nichts anderes, als den lieben langen Tag fressen, saufen, huren und Maulaffen feilhalten. Und ihr tranigen Mädchen seid nicht viel besser. Verdammt will ich sein, wenn ich auch nur ein Gran von meinen Köstlichkeiten abgebe!« Wutschnaubend starrte die Köchin von einem zum anderen und erblasste jäh, als ihr Blick auf die Tür fiel: »Jesus, Maria und Joseph, das muss der Leibhaftige sein!«
    Dort stand ein buckliger, schief grinsender Winzling mit brandrotem Haar. »Seid Ihr die Bratwachtel hier im Gehäus?«, fragte der Zwerg.
    »Ich ... nein, ja ...« Die Köchin griff sich an den Busen.
    »Die Lauscher auf, ich stell mich vor: Bin Enano, Gevatter des berühmten Cirurgicus Vitus von Campodios, ohne den der Lord gewisslich jetzt kalt war.«
    »Sagt, wie geht es dem Lord?« - »Ist er schwer verletzt?« -»Wird er wieder gesund werden?«, schwirrten die Fragen plötzlich von allen Seiten heran.
    »Leben wird er wie's Fischlein im Quoll. Dank der Künste des Cirurgicus, des Magisters un nich zuletzt der meinigen!« Es war nicht Enanos Art, sein Licht unter den Scheffel zu stellen.
    »Wollt Ihr mithalten, Zwerg?«, fragte einer der Stallknechte und deutete einladend auf einen Teller mit Heringen. »Es ist genug für alle da.«
    »Was sagste, Stürchenschnalzer? Ich soll mitspachteln? Da geckern die Hühner! Muss wieder hoch un zu Hilfe sein. Hopp, hopp, Schnalzer, steck mir das große Tablett von der

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