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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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für Euch!« Catfield nahm Haltung an und grüßte zackig. Soaps verabschiedete sich ebenfalls.
    »Da sind wir schon!« Der Magister nahte, den Zwerg im Schlepptau. Beide waren mit den gemeinsamen Habseligkeiten bepackt.
    »Hier, dein Stecken und deine Kiepe, Vitus. Von uns aus kann's losgehen.«
    Als Vitus wenige Augenblicke später seinen ersten Schritt auf englischem Boden tat, war alle Erschöpfung vergessen.
    Die Kutsche, in der sie östlich entlang der Küste fuhren, war altersschwach, hatte steinharte Sitze und keine Federn. Jede Unebenheit am Boden, und war sie noch so klein, durchrüttelte sie vom Kopf bis zu den Zehen. Draußen war es kühl, der frische Dezemberwind pfiff durch die offenen Fenster und ließ sie frösteln. Vorn auf dem Bock saß ein Mann, der sich als Hank Swaizy vorgestellt hatte. Swaizy war ein knochiger Mittvierziger mit der unangenehmen Eigenschaft, ständig die Nase hochzuziehen. Doch abgesehen davon schien er ein verträglicher Mann zu sein, der zudem fürsorglich mit seinen beiden Pferden umging. Außerdem hatte er sich mit einem Fahrgeld begnügt, das unter dem seiner Konkurrenten lag.
    »Was gäbe ich dafür, wenn wir die Strecke in einem Boot bei ruhiger See zurücklegen könnten!«, rief der Magister, als eine der unzähligen Bodenwellen ihn wieder einmal unsanft emporschleuderte.
    »Wui, wui, 's geht ganz schön auf die Krächlinge«, stöhnte der Zwerg.
    »Genießt lieber die Landschaft.« Vitus blickte hinaus. In der Tat sah die Gegend so idyllisch aus, als wollte sie die Fahrgäste für das mühselige Fortkommen entschädigen: Der Raureif vom Morgen hatte sich gehalten und deckte wie eine Zuckerschicht Felder, Wälder und Wiesen zu. Kleine Dörfer tauchten hin und wieder auf, verschlafen wirkend, denn die Zeit der Ernte war vorbei.
    »Seit ich meine Berylle nicht mehr habe, ist es mit dem Gucken nicht weit her.« Der Magister blinzelte.
    »Sir!« Swaizy auf dem Bock drehte den Kopf nach hinten und suchte Blickkontakt mit Vitus. »In fünf Minuten oder so sind wir in Chichester. Sollten übernachten dort, wenn's beliebt.«
    »Übernachten? Muss das sein?« Vitus war mit seinen Gedanken schon am Ziel.
    Swaizy schniefte. »Ich fürchte ja, Sir, 's sind noch mindestens vierzig Meilen bis Greenvale Castle, und wir haben Spätnachmittag. Sollten im Four Bullocks Quartier nehmen, 's ist sauber dort und billig.«
    »Wie billig?«, hakte der Magister sofort nach. Er war für die Reisekasse zuständig.
    »Ein paar Schillinge wird's schon kosten, Sir. Aber 's Essen ist dann schon dabei, und 's ist recht gut.«
    »Soso. Euer Wort in Gottes Ohr.«
    »Verlasst Euch drauf.« Swaizy zog vernehmlich die Nase hoch. Den Schleim, der dieserart in seinen Rachen gelangte, sammelte er genüsslich, bevor er ihn geballt an den Wegrand spie. Die ersten Häuser des nächsten Orts erschienen am Horizont.
    »Chichester, Gentlemen«, sagte Swaizy.

    Am nächsten Morgen fuhren sie zeitig weiter, machten mittags eine kurze Rast und entdeckten am frühen Abend einen bemoosten Wegweiser:

    GREENVALE CASTLE 3 MILES

    »Sind schon seit 'ner Weile auf dem Besitztum der Collincourts«, meldete Swaizy. »Dauert nicht mehr lange, und wir sind da, Gentlemen.«
    Vitus nickte. »Danke, Swaizy.«
    Vor ihnen fuhr seit einigen Minuten eine andere Kutsche, ein schwarzes, lackglänzendes Gefährt, das weitaus prächtiger und komfortabler aussah als das ihre.
    »Der hat womöglich dasselbe Ziel wie wir«, mutmaßte der Magister. »Warum in drei Teufels Namen sitzen wir nicht bei dem drin!« Ein Bauernhaus tauchte rechts vor ihnen auf, klein und in schlechtem Zustand, mit vielfach geflicktem Reetdach und bröckligen Wänden. Eine Steinmauer grenzte das Gelände zur Straße hin ab. Als die vordere Kutsche auf gleicher Höhe mit dem Haus war, schoss plötzlich ein großer Hofhund heran. Das Tier bellte heiser aus einem gewaltigen Brustkasten, umkreiste die Pferde und schnappte nach ihnen. Und dann ging alles sehr schnell: Die Gäule wieherten schrill, stiegen hoch und fielen in einen ungestümen Galopp. Verzweifelt knallte der Kutscher mit der Peitsche, doch die Zugtiere in ihrer Panik reagierten nicht darauf. Schon hatte der Wagen gefährliche Schieflage, lief nur noch auf den zwei rechten Rädern, als ein Gemarkungsstein herannahte, ihn anhob und mannshoch in die Luft warf. Die Deichsel brach, das Geschirr löste sich, die Pferde stoben davon, während das Gefährt wie eine riesige Holzkiste zu Boden krachte. Voller Schreck

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