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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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Nuss zu knacken.
    Viele Zeitungen veröffentlichten auch wöchentliche literarische Beilagen oder Illustrierte und nutzten dabei die neue Lichtdrucktechnik, um die heißeste Story der Woche noch einmal dramatisch auszumalen. Ganze Familien beugten sich jeden Sonntag über diese Blätter und rangen nach Luft, während sie das neueste Abenteuer oder die neueste Schreckensnachricht verschlangen, die Zeichner und Reporter so anschaulich dargestellt hatten. Zur Berichterstattung gehörten auch Balladen, »Lamentos« genannt, die an ein Ereignis erinnern sollten. Eine Sonderausgabe einer Zeitung trug die Schlagzeile »Zehn Morde für einen Penny« und versprach dem Käufer alle »schrecklichen Einzelheiten«.
    Dijon war das Schlachtfeld eines Medienkrieges zwischen zwei besonders rührigen Zeitungen. Das Wochenblatt Le Bourguignon Salé (Der salzige Burgunder) galt als links, die Tageszeitung Le Bien Public (Das öffentliche Wohl) als stockkonservativ. Um die Auflage zu steigern, versuchten beide, die jeweils andere auszustechen, indem sie Anschuldigungen gegen Grenier erhoben und Geschichten über die Unfähigkeit der Behörden erfanden, die sich weigerten, ihn anzuklagen. Die Zeitungen waren dankbare Verwerter für jedes Gerücht aus dem Munde der Leute, die Grenier nicht mochten. Dass die Polizei auf diese Gerüchte anscheinend nicht reagierte, war für die Presse ein Indiz für Korruption. »Die Behörden wollen, dass wir irgendeinen armen Teufel für den Mörder halten«, schrieb der Redakteur des Bourguignon Salé , der die Oberschicht für die Quelle allen Übels hielt. »Aber da oben gibt es mehr Laster als da unten und mehr Verbrechen obendrein.«
    Dass jegliche Beweise für Greniers Schuld fehlten, war diesen Kolumnisten egal. Sie schrieben eine Menge und stützten sich dabei nur auf Klatsch. Ein typischer Artikel sollte die Leser des Bien Public zu der Schlussfolgerung verleiten, dass Grenier der Mörder sein musste.
    Wer weiß, ob er die junge Augustine nicht gesehen und den Wunsch verspürt hat, sie zu besitzen? … Hat sie ihn vielleicht erkannt und ist nicht geflohen, weil sie keinen Grund hatte, sich vor ihm zu fürchten? … Hat er den Kopf verloren, als sie sich wehrte und jammerte und als ihr Hund bellte? Wollte er in einer Art erotischer Geistesumnachtung der Sache mit zwei Messerstichen ein Ende bereiten?
    Die Blätter verdächtigten auch jeden, der als Freund Greniers bekannt war, zum Beispiel Madame Gaumard. »Wer außer einer Frau hätte die kleinen Schuhe des Opfers an sich genommen?«, fragten die Redakteure des Bourguignon Salé . »Wer außer einer Frau würde Ohrringe so behutsam abnehmen?«
    »Zeugen« tauchten auf, die behaupteten, sie könnten Grenier mit dem Mord in Verbindung bringen. Die meisten hatten allerdings keine Informationen über das Verbrechen, sondern wollten alte Rechnungen begleichen. Augustines Vater war schnell davon überzeugt, dass Grenier der Mörder war, und erhob in der Presse schwere Beschuldigungen. Grenier konsultierte daraufhin einen Anwalt in Dijon, um eine Verleumdungsklage einzureichen. In seiner Abwesenheit durchsuchte die Polizei sein Haus und fand eine Hose mit einem winzigen Blutfleck. Grenier erklärte dies damit, dass er neben einem seiner Diener gestanden habe, als dieser einen Hasen für das Abendessen geschlachtet habe. Der Diener bestätigte diese Aussage. Als Grenier einmal ausritt, umringte ihn plötzlich eine wütende Menschenmenge und wollte ihn lynchen, aber er konnte im Galopp fliehen.
    Löblicherweise taten Fonfrède und Tondut alles, was in ihrer Macht stand, um die Aufregung zu mildern, während sie systematisch weiterermittelten. Als sie im Herbst 1895 jedoch ihren Jahresurlaub nahmen, wurden sie von zwei unerfahrenen Beamten ersetzt, die der Situation nicht gewachsen waren. Ein Einfaltspinsel namens Rouard, der im Wald lebte, meldete sich jetzt mit der Behauptung, er habe gesehen, wie Grenier sich mit einem Messer in der Hand über Augustines Leiche gebeugt habe. Obwohl seine Geschichte größtenteils nicht mit den bekannten Fakten übereinstimmte, hielt man sie für glaubhaft.
    Einwohner hatten ein grobes Holzkreuz an der Stelle errichtet, wo Augustine gestorben war. Dieses Kreuz wurde zu einem wahren Wallfahrtsort. Den ganzen Tag lang legten Leute Blumen davor nieder, bekreuzigten sich und beteten für das tote Mädchen. Viele schnitten Beschimpfungen in die umgebenden Bäume, zum Beispiel »Tod dem Grenier « und »Grenier, du Schurke«.

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