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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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vor den Augen der entsetzten Dorfbewohner gleich auf der Wiese vor.
    Ein derart scheußliches Verbrechen hatte noch niemand in der Gegend jemals erlebt. Die Ärzte folgten den Spuren durch die Wiese, rekonstruierten die Ereignisse und sammelten Fakten über den Täter und die Tat.
    »Wir kamen an einen riesigen Walnussbaum auf einer Lichtung in der Nähe einer Kleewiese«, notierten die Ärzte. »Zwei Meter vom Baum entfernt entdeckten wir eine große Blutlache.« In zehn Meter Entfernung fanden sie eine zweite Blutlache. 60 Meter weiter lag die Leiche von Victor Portalier bei einem Wacholderbusch. Er lag auf dem Rücken, seine Hose war bis zu den Knöcheln hinuntergezogen worden.
    Der Mörder hatte das Opfer vom Brustbein bis zum Schambein aufgeschlitzt, als hätte ein Jäger ein Tier ausgeweidet. Die Ärzte fanden mehrere nicht tödliche Stichwunden. Die Geschlechtsorgane waren mit einem scharfen Werkzeug abgetrennt worden. Die Wundränder waren glatt – ein Detail, das später für die Beurteilung des Verbrechers wichtig werden sollte.
    Vacher meinte später, dass Victor Portalier von allen seinen Opfern am meisten gelitten habe. Letztlich sollte dieses Verbrechen auch sein eigener Untergang werden.
    Das ganze Dorf war in Aufruhr. In der Gemeinde gab es keine Polizei, und die einzigen Sicherheitsvorkehrungen waren Hunde und einfache Schlösser. Einst gastfreundliche Menschen verschlossen jetzt ihre Türen, wenn Fremde auftauchten, und sahen überall Mörder. Die Bürger von Onglas konnten sich anders als jene in den Städten, die Vacher heimgesucht hatte, nicht mit der Festnahme Verdächtiger trösten, denn es gab keine.
    »Welcher Dämon hat diesen monströsen Mörder dazu getrieben, seine Opfer so zu zerfetzen?«, fragte ein Reporter aus Lyon später, als Vachers Verbrechen in ihrem ganzen Ausmaß bekannt wurden. »Die Leiche war derart abstoßend verstümmelt, dass man kaum glauben mag, dass es sich um einen Einzeltäter gehandelt hat. Man hat eher den Eindruck, dass ein Stier den Jungen getötet und dann mit den Hörnern zerrissen hat.«
    Innerhalb von wenigen Stunden versammelten sich mehr als 150 bewaffnete Männer aus benachbarten Gemeinden und durchsuchten Wälder, Berge und Schluchten. Sie wussten genau, wie der Mörder aussah. Denn es musste der Landstreicher sein, der um Milch gebettelt hatte. Nach Onglas kamen nur sehr wenige Fremde, und an diesen erinnerten sich alle. Aber sie fanden Vacher nicht. Denn gleich nach dem Mord war er durch eine enge Schlucht ins Tal hinabgestiegen, und wenige Tage später wurde er dabei beobachtet, wie er die Rhone auf einer Eisenbahnbrücke überquerte.
    Nach diesem abscheulichen Verbrechen versprach die Polizei höchste Einsatzbereitschaft. Der Generalstaatsanwalt von Lyon kümmerte sich persönlich um den Fall, denn er war aktives Mitglied im Kinderschutzbund. Er befahl seinen Untergebenen, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um das Verbrechen aufzuklären. Der Regionalbeamte, dem der Fall zugewiesen wurde, ein Ersatzrichter aus einer Nachbarstadt, besuchte die Gegend in den folgenden Tagen mehrere Male und fragte die Leute nach Fremden aus, die sie gesehen hatten. Schließlich schickte er eine erstaunlich genaue Beschreibung an alle Bezirke, Städte und Krankenhäuser in der Umgebung:
    Alter: 30 bis 35 Jahre
    Größe: 1,56 Meter
    Dicke schwarze Augenbrauen
    Hautfarbe: blass und kränklich
    Weiße Hände deuten darauf hin, dass er nicht an harte Arbeit gewöhnt ist.
    Kopfbedeckung: Strohhut, angeblich ein Panamahut, den er über die Augen zieht. Manchmal trägt er eine Baskenmütze.
    Sonstige Kennzeichen: Narbe quer über dem rechten Auge. Trägt einen kleinen Werkzeugkasten und einen Knüppel bei sich.
    Die Polizei ging jedem Hinweis nach. Am 5. September erhielt sie ein Telegramm von ihren Kollegen in Trévoux, der Stadt, in der Victor geboren war. Dort sprachen anonyme Zungen einen Verdacht aus, an den die Behörden nicht gedacht hatten: Es ging um Victors Mutter, Marie Pinet.
    Die meisten Leute mochten sie nicht. Und es hatte vielen auch missfallen, dass sie Lazare Portalier geheiratet hatte, einen zwergwüchsigen alten Mann, und dass sie während der Ehe Affären gehabt hatte. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie sich sofort mit einem Maurer eingelassen, der einen schlechten Ruf hatte. Ihre Feinde erzählten der Polizei, dass Portalier, der eine Schneiderwerkstatt geführt hatte, seinem Sohn ein kleines Vermögen von 10.000 Francs hinterlassen

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